Kapitel 2 Der Fremde

Gerade als Emily nur noch für ihre Flucht beten konnte, ertönte die kalte Zurechtweisung des Mitarbeiters wie himmlische Musik. „Wer sind Sie? Was soll der Lärm?“

„Ich suche jemanden“, antwortete der schmierige Mann gereizt.

„Hier ist niemand für Sie. Verlassen Sie sofort das Gelände! Wenn Sie den Gast hier stören, könnten nicht einmal zehn von Ihnen das wiedergutmachen,“ sagte der Mitarbeiter kalt.

Obwohl Roy verärgert war, hatte er genug Verstand, um zu wissen, dass die Smaragdstadt voller Menschen war, die er sich nicht leisten konnte zu verärgern. Er verließ das Gebäude, fluchend vor sich hin.

Emily lehnte sich gegen die Tür, kalter Schweiß durchtränkte ihr Kleid und ließ es unangenehm an ihrer Haut kleben. Erst da wurde ihr klar, dass sie in das Territorium einer äußerst mächtigen Person geflüchtet war.

Sie wollte gehen, aber sie konnte nicht.

Wer wusste schon, wo Roy auf sie lauern könnte?

In ihrem derzeitigen körperlichen Zustand war es reines Glück gewesen, Roys Fängen einmal zu entkommen. Sie hatte keine Kraft, ein zweites Mal zu fliehen.

Sie konnte nicht hinaus. Absolut nicht.

Emily klammerte sich an die Hoffnung, dass der Bewohner des Zimmers bereits gegangen war und nicht so bald zurückkehren würde. Außer diesem Raum konnte sie keinen sichereren Ort finden.

Gerade als ihre angespannten Nerven begannen, sich zu entspannen, konnte sie die Hitze, die durch ihren Körper schoss, nicht länger unterdrücken. Dieses brennende Gefühl kroch durch ihre Adern bis in ihre Glieder und ließ sogar ihre Fingerspitzen unnatürlich erröten.

Der ganze Raum war erschreckend dunkel, nur aus dem Badezimmer drang ein schwaches Licht.

Das Badezimmer... kaltes Wasser könnte ihre aktuellen Symptome lindern.

Aus Angst, Aufmerksamkeit zu erregen, wagte Emily nicht, das Licht im Wohnzimmer einzuschalten. Sie bewegte sich leise an der Wand entlang, bis sie die Badezimmertür erreichte. Ihre Finger hatten gerade den kalten Türknauf berührt, als sie ein unterdrücktes Stöhnen von innen hörte.

War da jemand?

Zögernd öffnete sie die Tür einen Spalt.

Durch den nebeligen Dampf war sie erschrocken, einen Mann in der großen Jacuzzi sitzen zu sehen.

Er hatte sich nicht ausgezogen; sein schwarzes Hemd klebte an seinem Körper und zeichnete seine festen Schultern und seinen Rücken nach. Das Wasser in der Wanne glitzerte mit Eisstücken – eindeutig kaltes Wasser mit hinzugefügten Eiswürfeln.

Der Mann hatte den Kopf gesenkt, sein nasses Haar fiel nach vorne und bedeckte den größten Teil seines Gesichts. Sie konnte nur seine fest aufeinandergepressten dünnen Lippen und die harte Linie seines Kieferknochens sehen, die eine Aura ausstrahlte, die ihn schwer zugänglich machte.

Emily hielt sich den Mund zu und trat zurück.

Was war hier los?

Der Mann in der Wanne schien ihre Anwesenheit zu spüren und hob scharf seine Augen. Diese Augen waren durch den Dampf erschreckend hell, wie eisgehärtete Sterne, die direkt in Emilys panische Pupillen stachen.

Charles Windsors Geist war schrecklich benebelt, seine Sicht verschwommen. Er konnte nur vage eine schattenhafte Gestalt an der Badezimmertür erkennen.

„Raus!“ murmelte Charles undeutlich.

„Was?“

Emily konnte es nicht klar hören, aber sie konnte erkennen, dass auch dieser Mann nicht wohlauf war.

„Geht es... geht es Ihnen gut?“ fragte Emily zögernd. Aufgrund des brennenden Gefühls in ihr fühlte sich ihr Hals an, als wäre er mit Sand gefüllt, was ihre Stimme genauso heiser machte wie die des Mannes.

Charles antwortete nicht, seine Stirn runzelte sich nur noch tiefer. Wer wäre so dreist, ihn zu vergiften?

Wenn er den Schuldigen fand, würde dieser die Smaragdstadt niemals lebend verlassen!

Diesmal war er unvorsichtig gewesen.

Glücklicherweise hatte sein Assistent seinen Zustand rechtzeitig erkannt und ihm geholfen, in das private Zimmer zurückzukehren, wodurch verhindert wurde, dass sich die Situation verschlimmerte.

Als Emily Charles' Schweigen sah, näherte sie sich auf wackeligen Beinen der Badewanne, um nach ihm zu sehen.

Sobald ihre Hand Charles' Arm berührte, packte er sie mit aller Kraft. Charles' Handfläche war glühend heiß, im krassen Gegensatz zu seinem Körper, der im Eiswasser lag.

Emily zuckte zusammen und versuchte, sich loszureißen, aber er hielt sie noch fester.

Charles hatte es nie gemocht, Fremde zu berühren, aber als der schwache Duft von Duschgel, vermischt mit dem einzigartigen Geruch der Jugend, von Emily zu ihm drang, fühlte er sich unerklärlicherweise beruhigt. Die durch das Medikament ausgelöste Unruhe in ihm schien sich leicht zu legen.

Sein Geist war benebelt, und die kühle Berührung von Emilys Fingerspitzen sowie ihr angenehmer Duft wirkten wie ein Zündfunke, der die Flamme, die er unterdrückt hatte, sofort entfachte. Schon mit den Auswirkungen des Medikaments kämpfend, brach dieser plötzliche körperliche Kontakt seine verbleibende Kontrolle.

Er zog sie mit einem Ruck in die Badewanne. Das kalte Wasser durchtränkte sofort Emilys Kleid, doch sie verspürte keine Kälte, da Charles' Körper sie wie ein Feuer umhüllte.

„Lass... lass mich los...“ Emily kämpfte verzweifelt, aber ihre Kraft war im Vergleich zu Charles' gering.

Sein tiefes, schweres Atmen klang in ihrem Ohr und trug eine Spur von Gefahr. Sein Kuss kam ohne Vorwarnung, herrisch und dringend, erstickte all ihre Proteste.

Dieser Kuss trug eine unwiderstehliche Kraft in sich, die sich von ihren Lippen zu ihrem Kiefer und dann zu ihrem schlanken Hals ausbreitete. Jede Berührung fühlte sich wie eine Flamme auf ihrer Haut an.

Emilys Verstand wurde leer. Das Brennen in ihrem Körper kollidierte heftig mit Charles' Einfluss, wie zwei gleich starke Ströme, die aufeinanderprallen. Sie wollte sich wehren, schreien, doch ihre Kehle schien blockiert, fähig nur zu gedämpften Wimmern.

Allmählich überwanden die körperlichen Instinkte die Vernunft, ließen ihr keine Kraft mehr zum Widerstand, nur noch passives Ertragen.

Die Geräusche von spritzendem Wasser und schwerem Atmen verwoben sich im Badezimmer, das kalte Wasser und die innere Hitze stimulierten die beiden empfindlichen Körper immer wieder.

Charles' durchnässtes Hemd klebte an seiner Haut und zeichnete glatte Muskelkonturen nach. Wassertropfen fielen von seinen Haarspitzen und glitten über Emilys Schlüsselbein.

Die blaue Saphir-Halskette um ihren Hals schimmerte kalt und ließ sie noch verführerischer erscheinen.

Einmal durchbrochen, strömte das Verlangen wie eine Flutwelle hervor.

Der Kontakt der Haut, das Verschmelzen von Lippen und Zungen konnten die medikamentenverstärkten Instinkte des Mannes nicht mehr befriedigen. Charles ließ plötzlich Emilys Lippen los, sein schwerer Atem heiß auf ihrem Gesicht. Seine Augen waren dunkel wie die Nacht, wirbelnd mit stürmischen Emotionen, die sie nicht begreifen konnte.

Er hob Emily mit einem Arm hoch. Sie keuchte, schlang instinktiv die Arme um seinen Hals und spürte, wie sich die Welt drehte, bevor sie auf das weiche Bett geworfen wurde.

Charles' große Gestalt erhob sich über ihr. Emily konnte sein Gesicht immer noch nicht klar sehen, nur seine Hitze mit ihrem Körper spüren. Ihr Bewusstsein schwankte zwischen Klarheit und Hingabe, schließlich vollständig von der herannahenden Flut verschlungen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit ließen die Wirkungen des Medikaments endlich von Charles' Körper ab, und er fiel in einen tiefen Schlaf. Emily war längst ohnmächtig geworden.

In der Dunkelheit waren ihre Gesichter undeutlich, nur ein Blutfleck auf den weißen Laken war klar sichtbar.

Vorheriges Kapitel
Nächstes Kapitel