Kapitel 1 Bedingungsloser Gehorsam

Das Operationslicht über ihr strahlte grell weiß.

„Wir haben die Blutung unter Kontrolle!“

Die angespannte Stimme der Krankenschwester hallte wider, als Zoey King sich endlich aufrichtete. Ihr Rücken war schweißnass, und die Schutzmaske hatte tiefe rote Abdrücke auf ihrem Gesicht hinterlassen. Sogar ihre Finger, die das Hämostat umklammerten, zitterten leicht.

Eine Assistentin wischte schnell den Schweiß von Zoeys Schläfe.

„Dr. King, diese partielle Hepatektomie war makellos. Die Leberresektion wurde perfekt durchgeführt!“

Zoey brachte ein müdes Lächeln zustande, legte ihre Instrumente beiseite und wandte sich zum Verlassen des Operationssaals.

Dies war Zoeys dritte komplexe Leberoperation an diesem Tag, insgesamt fünf Stunden lang. Da nur noch das Nähen übrig war, konnte Zoey dies ihrem Assistenten überlassen. Sie war völlig erschöpft.

Zoey schleppte sich schwerfällig in den Umkleideraum. Ihr Telefon summte im Schrank. Als sie „Ella“ auf dem Bildschirm sah, setzte ihr Herz einen Schlag aus. Widerwillig drückte sie die Annahmetaste.

Ella Andersons kalte Stimme drang durch den Hörer.

„Zoey, komm sofort nach Hause. Lass mich das nicht wiederholen.“

Bevor Zoey antworten konnte, war das Gespräch abrupt beendet.

Der Geruch von Desinfektionsmittel war beißend, aber Ellas emotionslose Stimme ließ Zoeys Atem schneller gehen.

Sie wusste, dass jedem Befehl von Ella bedingungslos gehorcht werden musste, so wie es seit über einem Jahrzehnt der Fall war.

Zoey umklammerte ihr Telefon und stand am Eingang des Krankenhauses. Das Bild des Patienten, der vor fünf Stunden während der Operation stark blutete, blitzte in ihrem Kopf auf. Das Geräusch von Bremsen unterbrach ihre Gedanken – ein von Ella geschicktes Auto war bereits angekommen. Offensichtlich hatte Ella jemanden geschickt, um auf sie zu warten.

Der Fahrer ließ das Fenster herunter und nickte Zoey zu. Diese stille Aufforderung ließ Zoey ihren Schritt beschleunigen. Sie war klug genug, um zu erraten, warum Ella es so eilig hatte, sie zu sehen.

Das Auto fuhr sanft die breite Straße entlang. Die Ledersitze linderten Zoeys Erschöpfung nicht. Sie schloss die Augen, aber Erinnerungen strömten herein: vom Beitritt zur Familie Anderson als Teenager bis zur Heirat mit dem Erben Andrew Anderson vor drei Jahren hatten unzählige Momente der Ablehnung Schatten über ihr Leben geworfen, doch sie hatte ihre Beschwerden schweigend geschluckt.

Die Augen des Fahrers im Rückspiegel schienen sie vor dem bevorstehenden Sturm warnen zu wollen, aber er schwieg, während er mit Zoey in Richtung Stadtrand fuhr.

Zoey schloss die Augen und lehnte sich für ein Nickerchen zurück.

Doch bald weckte das Summen ihres Telefons sie. Sie öffnete die Augen und sah „Alice Baker“ auf dem Bildschirm.

„Hallo...“

„Zoey, herzlichen Glückwunsch!“

Alices fröhliche Stimme verwirrte Zoey.

„Alice, wovon sprichst du?“

„Dein Mann kommt heute zurück. Du wirst nicht mehr allein sein!“

Alices Stimme war voller Freude. Aber Zoey reagierte kaum, sagte träge: „Andrew kommt zurück? Was für ein Witz. Er hat auf der anderen Seite der Welt für Aufsehen gesorgt und wahrscheinlich längst das Zuhause vergessen...“

„Zoey! Das war den ganzen Tag die Top-Nachricht. Wusstest du das nicht?“

Alice erhob ihre Stimme, und Zoey fühlte sich ein wenig genervt.

„Ich habe heute drei Operationen durchgeführt und bin erschöpft. Ich hatte keine Zeit, die Nachrichten zu überprüfen.“

„Er... Andrew hat es dir nicht gesagt?“

Alice war einen Moment sprachlos und versuchte, Zoey zu trösten, fand aber nicht die richtigen Worte. Nach ein paar Sekunden sagte sie: „Vielleicht will er dich überraschen...“

Alice wusste, dass die Chancen, dass Andrew Zoey überraschte, gering waren, und ihre Stimme wurde leiser. Zoey glaubte auch nicht, dass Andrew versuchen würde, sie zu überraschen. Aber wenn Andrew tatsächlich zurück war, ergab Ellas Aufforderung, heute zur Anderson Villa zurückzukehren, mehr Sinn.

Zoey wollte gerade etwas sagen, als sie die Augen des Fahrers im Rückspiegel bemerkte, der so tat, als würde er sie nicht ansehen. Die Reflexion machte seinen Ausdruck verschwommen, aber sie konnte seine stille Beobachtung spüren.

Zoey wurde sofort aufmerksam, ihre Fingerspitzen wurden kalt: „Alice, ich bin ein bisschen müde. Ich rufe dich später an.“

Ohne eine Antwort abzuwarten, legte Zoey hastig auf und steckte ihr Handy in ihre Tasche.

Das Auto kehrte zur Stille zurück, nur das Geräusch der Reifen auf der Straße war zu hören.

Zoey beobachtete die vorbeiziehende Landschaft draußen und verband schnell die Punkte in ihrem Kopf. Ellas dringender Anruf, das wartende Auto... Es ergab alles Sinn. Sie atmete leise aus, mit einem Hauch von bitterem Verständnis... Ella war eifrig, sie zurück zur Anderson Villa zu bringen. Es schien, als wäre das Unvermeidliche eingetreten.

Zoey lehnte sich wieder zurück, scheinbar ruhend, aber Andrews Gesicht blitzte wiederholt in ihrem Geist auf: gutaussehend, sanft, gleichgültig...

Als das Auto langsamer wurde und anhielt, war es bereits vor der Anderson Villa.

Zoey blickte durch das Glas auf das Gebäude, atmete tief ein und stieg langsam aus dem Auto.

Das Geräusch des schließenden Eisentors hallte im Korridor wider. Zoey ging durch den mit Paravents gesäumten Flur und hörte das Klirren von Porzellan, als Ella im Wohnzimmer Tee zubereitete.

Als sie die Tür öffnete, stach ihr Vedas marineblaue Uniform in die Augen. Diese Dienerin, die sie wegen Diebstahls von Schmuck entlassen hatte, stand nun respektvoll hinter Ella.

„Mrs. Anderson ist zurück.“

Veda trat mit einem spöttischen Lächeln näher und griff nach Zoeys Tasche.

Zoey beobachtete Veda misstrauisch und trat ohne ein Wort zurück.

Veda, die wusste, dass sie unerwünscht war, zog sich an Ellas Seite zurück.

Ella hielt eine Teetasse, ihre goldgeränderte Brille rutschte auf die Nasenspitze, ihr Blick scharf wie ein Skalpell.

„Erkläre, warum du Veda entlassen hast.“

Zoeys Finger verkrampften sich, der Lederriemen ihrer Tasche grub sich schmerzhaft in ihre Handfläche. Sie hatte erwartet, dass das Thema Andrews Rückkehr sein würde, aber Ellas erste Frage betraf Veda.

Veda warf selbstgefällig ihr Haar zurück und enthüllte die Perlenohrringe, die sie trug—Zoeys fehlendes Paar.

Sie waren ein Geschenk von Andrew zu ihrem ersten Geburtstag nach der Hochzeit. Keine Luxusmarke, aber das einzige Geschenk, das Andrew ihr je gemacht hatte—mit den Initialen ihres Namens innen graviert.

„Mrs. Anderson hat mich des Diebstahls ihrer Sachen beschuldigt.“

Vedas Ton war absichtlich gedehnt, ihre Augen voller Provokation.

Zoey starrte Veda kalt an und fühlte eine tiefe Ungerechtigkeit. Sie wusste, dass Veda Ellas Rückendeckung hatte, aber Ellas offenkundige Bevorzugung zu erleben, war bitter.

Das Summen der zentralen Klimaanlage wurde plötzlich durchdringend. Zoey ging auf Veda zu, ihr Ausdruck eisig.

„Letzten Monat haben sich die Haushaltskosten verdreifacht. Du hast billige Waren als importiertes Gemüse gemeldet, sogar meinen Safe geknackt. Kannst du leugnen, meine Sachen berührt zu haben, einschließlich dieses Dokuments?“

Ella schwenkte ihre Teetasse, ihre Stimme war sanft, aber schwer von Bedeutung. „Wo sind die Beweise?“

Veda schniefte im genau richtigen Moment und zog ein seidenes Taschentuch aus ihrer Tasche, um sich die Augen zu tupfen. „Frau Ella Anderson, Sie müssen für mich einstehen. Ich bin seit fast zwanzig Jahren bei der Familie Anderson. Jeder weiß, wie loyal ich bin.“

Plötzlich hob sie den Kopf, ein Hauch von Bosheit blitzte in ihren Augen auf. „Aber manche Leute bleiben die ganze Nacht draußen. Wer weiß, was sie treiben...“

Zoeys Kopf pochte, die Ruhe, die sie normalerweise im Operationssaal bewahrte, war fast zerschmettert. Veda sprach über sie, die die ganze Nacht draußen war, um kritisch kranke Patienten im Krankenhaus zu retten!

Zoeys Herz sank in einen kalten Abgrund. Sie sprach ernsthaft: „Ella, du hast Veda beauftragt, mich genau zu überwachen. Das ist wirklich nicht nötig.“

Der Mahagonikaffeetisch gab ein dumpfes Geräusch von sich, als Ella ihre Teetasse energisch abstellte. „Wie kannst du es wagen! Da Andrew nicht zu Hause ist, habe ich jemanden arrangiert, um auf dich aufzupassen, zu deinem eigenen Wohl, um zu verhindern, dass du die Familie Anderson in Verruf bringst.“

Ella stand auf und ging zu Zoey. „Veda wird morgen in deine Wohnung zurückkehren, um dir zu dienen. Berichte mir sofort, wenn etwas passiert.“

Obwohl Ellas Blick auf Zoey gerichtet war, waren ihre Worte für Veda bestimmt. „Ja, Ma’am,“ Veda setzte sofort ein schmeichelndes Lächeln auf und streckte die Hand aus, um Ella zu stützen.

Zoeys Emotionen verwandelten sich in Stärke in ihren Fingern, als sie den Riemen ihrer Handtasche fest umklammerte. Sie sah Ella direkt an. „Ella, ich bin Andrews Frau und Ärztin. Die sogenannten Nächte draußen verbringe ich damit, Leben im Krankenhaus zu retten. Du warst selbst einmal Ärztin; das solltest du doch verstehen?“

Ella lachte kalt. „Zoey, vergiss nicht, wenn wir dich nicht nach dem Tod deiner Eltern aufgenommen und deine Ausbildung unterstützt hätten, wie hättest du das bequeme Leben, das du heute hast?“

Ella legte eine scharfe Hand auf Zoeys Schulter. „Außerdem, die Heirat mit Andrew ist dein Segen. Die Familie Anderson braucht nicht, dass du arbeitest oder Geld verdienst. Solange du Andrews Frau bist, solltest du zu Hause Blumenarrangements lernen, Etikette und den Haushalt führen, deine Pflichten erfüllen.“

Tatsächlich, ohne die Familie Anderson hätte Zoey vielleicht ein härteres Leben gehabt. Aber wenn es nicht diesen berechnenden Schritt damals gegeben hätte, hätte sie ihre Eltern nicht verloren und wäre kein Waisenkind geworden, das unter einem fremden Dach lebte. Angesichts dieses „Zuhause“, in dem sie über ein Jahrzehnt gelebt hatte, wollte Zoey keine Sekunde länger bleiben, geschweige denn Pflichten erfüllen.

Zoey drehte sich abrupt um, ihre High Heels quietschten auf dem Marmorboden. Als sie die geschnitzte Holztür öffnete, stieß sie mit einer festen Brust zusammen.

Der schwache Duft von Zedernholzparfüm erfüllte ihre Nase, der vertraute Duft, den Andrew immer benutzte. Aber dieser vertraute Duft fühlte sich jetzt wie Nadeln an, die ihr Herz durchbohrten. Sie trat hastig zurück, ihre Wangen brannten sofort, sogar ihre Ohren wurden rot – sie war ihm so lange nicht so nahe gewesen, sie war völlig verloren.

Zoey hob langsam den Kopf. Andrews Schultern waren gerade, seine Kieferlinie scharf wie eh und je. Darüber waren diese Augen, sanft und doch kalt in ihrer Erinnerung, die sie jetzt mit einem Hauch eines falschen Lächelns ansahen.

Andrew! Er war wirklich zurück.

Andrew wich ihr aus wie etwas Schmutziges und strich die Falten von seinem Jackett. Seine Stimme war gleichgültig, als ob er über das Wetter sprechen würde. "Was ist die Eile? Was ist hier los?"

Zoey betrachtete Andrew und bemerkte, dass er dünner war als auf den Fotos in den Schlagzeilen. War es das ausländische Essen, das ihm nicht bekam, oder war er zu beschäftigt, um auf seine Gesundheit zu achten?

"Andrew! Ich habe dich so vermisst!" Ellas Stimme wurde sofort weicher, verlor ihre vorherige Schärfe. Sie trat schnell vor, schob Zoey beiseite und ergriff Andrews Arm, musterte ihn.

Veda nutzte den Moment, ihre Stimme triefte vor vorgetäuschter Kränkung. „Herr Andrew Anderson, Sie sind zurück! Frau Zoey Anderson hat mich beschuldigt, ihren Schmuck gestohlen zu haben, und hat mich gefeuert!“

Andrews Blick wanderte zu den Perlenohrringen an Vedas Ohrläppchen. Er erkannte den eingravierten Namen, ein Geburtstagsgeschenk, das er beiläufig für Zoey ausgesucht hatte. Doch er warf ihnen nur einen flüchtigen Blick zu, bevor er sich Zoey zuwandte, seine Stimme kalt. „Das ist nur eine Kleinigkeit. Wenn Veda sie mag, soll sie die Ohrringe haben.“

Zoeys Kopf schnellte hoch, sie starrte ihn ungläubig an. Die Ohrringe mochten für Andrew ein Schmuckstück sein, aber für Zoey waren sie das einzige Geschenk, das er ihr je gemacht hatte! „Andrew, die hast du mir geschenkt...“

Ihre Stimme zitterte leicht, versuchte auch nur ein Fünkchen seiner Sorge zu wecken. „Nur ein Ohrring.“

Andrew schnitt ihr das Wort ab, seine Ungeduld war deutlich. „Zoey, du bist meine Frau. Wenn du nicht einmal so viel Großzügigkeit zeigen kannst, werden die Leute über dich lachen.“

Tränen stiegen in Zoeys Augen. Sie trat instinktiv zurück und stieß versehentlich gegen das antike Regal hinter ihr. Eine Porzellanvase fiel zu Boden und zerbrach in Stücke.

„Diese Vase war Mr. Andersons wertvollstes Stück!“ rief Veda aus.

Andrew unterbrach sie. „Das geht dich nichts an. Geh.“

Er ging direkt zum Sofa und setzte sich. Veda, die die Stimmung spürte, räumte schnell die zerbrochenen Porzellanstücke auf und zog sich zurück.

Als Andrew sich setzte, kehrte auch Ella zum Sofa zurück und bot ihm eifrig frisch gebrühten Tee an. „Andrew, bleibst du diesmal für immer?“

Andrew nahm die Teetasse, seine Finger strichen über die warme Tassenwand, sein Blick fiel erneut auf Zoey. „Ich plane, mich hier niederzulassen.“

Zoey erstarrte, zweifelte an ihren Ohren. „Was hast du gesagt?“

Sie erinnerte sich an Alices Worte über "Erfolg in Karriere und Liebe". Sie hatte die überwältigenden Nachrichten nicht gelesen, aber die Gerüchte in ihrem Kreis waren zahlreich. Andrew blühte auf der anderen Seite der Welt auf und mangelte es nie an weiblicher Gesellschaft. Und kurz nachdem Andrew gegangen war, folgte ihm seine bevorzugte Frau, Emily Johnson, ins Ausland. Wie konnte er es ertragen, jetzt zurückzukommen?

Ella stellte ihre Teetasse ab und sprach scheinbar zu Zoey, aber auch zu Andrew. „Mein Andrew ist fähig. Seine Investmentgesellschaft hat sich nicht nur im Ausland erweitert, sondern ist auch in den heimischen Markt eingetreten. Mein einziger Wunsch jetzt ist, dass er eine wirklich passende Frau heiratet und die Familie erweitert...“

Zoey verstand endlich. Sie betrachtete die beiden Personen vor ihr und fühlte eine tiefe, bis in die Knochen gehende Kälte. Ihr Skalpell konnte eine gerissene Leber heilen, aber es konnte diese Ehe nicht reparieren, die bereits von Löchern durchzogen war. Sie konnte Wunder auf dem Operationstisch vollbringen, aber in diesem Gefängnis namens Anderson-Familie hatte sie nicht einmal das Recht, für sich selbst zu sprechen.

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