Kapitel 3 Rufen Sie an

Andrews Stimme war nicht laut, aber sie durchdrang das Wohnzimmer wie ein Stein, der ins stille Wasser geworfen wird.

Zoey hatte nicht erwartet, dass Andrew in diesem Moment aus dem Arbeitszimmer kommen würde. Sie hielt inne, hatte aber nicht vor zu antworten.

Ella sah Andrew und bewegte sich sofort zur Treppe, ihr Gesicht zeigte ein liebevolles Lächeln, aber ihr Ton war fest und voreingenommen.

„Andrew, verschwende deine Zeit nicht mit ihr. Diese Frau ist undankbar. Wenn sie gehen will, lass sie gehen!“

Sie warf Zoey immer wieder Seitenblicke zu.

Zoeys Rücken straffte sich noch mehr. Die Wut, die sie unterdrückt hatte, als Ella sie gedemütigt hatte, stieg nun auf, provoziert durch Andrews beiläufige Frage. Sie war unsicher wegen der Ehe gewesen, aber als sie Andrews kalte Gestalt oben sah, verschwanden all ihre Zweifel.

Sie hob den Kopf scharf, ihre Stimme zitterte, war aber klar.

„Wohin ich gehe, geht dich nichts an.“

Zoey war überrascht von ihren eigenen Worten. Sie hatte sich immer vor ihm erniedrigt und vorsichtig gesprochen. Aber jetzt brachen die angesammelten Beschwerden, der Groll und die Enttäuschung endlich heraus.

Andrews Gesichtsausdruck änderte sich nicht, nicht einmal eine hochgezogene Augenbraue bei ihren Worten. Er sah sie einfach an, und nach ein paar Sekunden sprach er ruhig: „Wie du willst.“

Die Worte fühlten sich an wie ein stumpfes Messer, das langsam durch Zoeys Herz schnitt. Sie fand es plötzlich lächerlich. Ihre frühere Aufregung war für ihn wahrscheinlich nur ein bedeutungsloses Drama.

Ella grinste triumphierend.

Zoey sah nicht noch einmal in den zweiten Stock, noch erwiderte sie Ellas Blick. Sie drehte sich um und schritt zur Haustür. Der Messingring an der Tür schwang auf, und kalter Wind strömte ins Wohnzimmer. Sie blickte nicht zurück, ließ die Tür schwer hinter sich zufallen und schloss das kalte Haus und die heuchlerischen Menschen darin aus.

Der Himmel war vollständig dunkel geworden, und die fernen Berge waren vom letzten Licht der untergehenden Sonne in ein düsteres goldenes Licht getaucht. Die letzten Sonnenstrahlen verschwanden langsam im Tal. Die Straße, die zur Anderson-Villa führte, war abgelegen und ruhig, umgeben von dichten Wäldern, durch deren Blätter nur wenige Sonnenstrahlen auf den Bürgersteig fielen. Zoey zog den Kragen ihres Mantels enger und ging zügig in Richtung Stadt.

Es waren kaum Fußgänger oder Fahrzeuge auf der Straße, nur ein paar verstreute Straßenlaternen flackerten. Der Bergwind peitschte ihr Haar und ließ ihre Augen tränen. In der Ferne bildeten die Lichter der Stadt ein verschwommenes Meer von Lichtern am Fuße des Berges – ein Meer von Lichtern, aber keines davon bot Zoey Wärme.

Zoey blickte auf die leere Straße und murmelte zu sich selbst:

„Mama, Papa, wenn ihr noch hier wärt, würde ich nicht so leiden.“

Sie rieb sich die schmerzenden Augen und zog den Mantelkragen erneut enger.

Fragmente der Vergangenheit überfluteten plötzlich ihren Geist: Andrews distanzierter Blick bei ihrer Hochzeit, unzählige Nächte, die sie allein im Schlafzimmer verbrachte, und Ellas frühere sarkastische Bemerkungen, die immer wieder auf Zoeys Nerven trafen. Es stellte sich heraus, dass ihre ruhige Fassade nur eine Maske war.

Als Zoey den Kopf senkte, um die Feuchtigkeit aus ihren Augen zu wischen, durchdrang das plötzliche Aufheulen eines Motors die Dämmerung.

Ein silbergrauer Geschäftswagen, dessen Warnblinker blinkten, hielt direkt vor ihr an. Das scharfe Geräusch der Bremsen explodierte in ihren Ohren und erschreckte Zoey.

Sie blickte schnell auf, ihre Pupillen zogen sich zusammen vom plötzlichen hellen Licht, bereit, dem Fahrer zu begegnen, aber sie sah, dass es Andrews Fahrer, Hayden, war, der aus dem Auto stieg.

„Frau Anderson,“ sagte Hayden respektvoll. „Die Nachtstraße ist schwer zu befahren. Ich habe den Auftrag, Sie zurück in die Wohnung zu bringen.“

Damit öffnete Hayden schnell die Autotür und deutete ihr, einzusteigen.

Zoey zögerte, unfähig zu verstehen, was die Familie Anderson vorhatte. Aber da es spät wurde, hatte sie keine andere Wahl, als Haydens Angebot anzunehmen. Schließlich hatte sie keinen anderen Ort, an den sie gehen konnte, außer der Wohnung.

Die Ledersitze im Geschäftswagen waren noch warm. Kaum hatte Zoey sich gesetzt, spürte sie eine Atmosphäre niedrigen Drucks neben sich.

Instinktiv drehte sie den Kopf und fand sich einem gut geschnittenen dunkelblauen Anzug gegenüber – Andrew saß auf dem Sitz hinter dem Fahrersitz. Seine Krawatte war von zwei Fingern gelockert, und durch den Hemdkragen war sein Schlüsselbein zu sehen. Anders als seine bewusst aufrechte Haltung im Wohnzimmer, trug seine entspannte Haltung immer noch eine gewisse distanzierte Anspannung.

Die Dämmerung draußen vertiefte sich, und die spärlichen Straßenlaternen flackerten zwischen den zurückweichenden Baumschatten und machten sie unruhig. Sollte er nicht im Arbeitszimmer mit Eli sein, „wichtige Angelegenheiten planen“? Warum war er plötzlich hier? Wohin ging er?

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