Kapitel 2
Scarlett blieb ausdruckslos, ihr Gesicht eine sorgfältige Maske.
Gerade als sie sich bewegen wollte, durchbrach eine tiefe Stimme die angespannte Stille. „Ist die Familie Seymour jetzt zu arm, um Diener zu beschäftigen?“
Sebastians Blick glitt beiläufig über Edith und Brianna. Sein Ton verriet nichts, trug jedoch einen unverkennbaren Druck in sich.
Er sah Scarlett nicht einmal an, als ob er nur eine beiläufige Bemerkung gemacht hätte.
Das Lächeln auf Ediths Gesicht gefror augenblicklich. Sie hätte nie erwartet, dass Sebastian sich für Scarlett einsetzen würde!
Brianna wrang nervös ihre Hände, ihre Augen huschten umher. „Herr Howard, Sie scherzen doch! Scarlett ist einfach so ein fürsorgliches Kind – sie liebt es, im Haus zu helfen.“
„Ach ja?“ Sebastian hob eine Augenbraue und sah schließlich auf. Sein Blick ignorierte Edith völlig und landete direkt auf Scarletts Gesicht. „Ich finde es ziemlich unpassend, Gäste warten zu lassen, während sich die ‚Tochter‘ der Familie in der Küche abmüht.“
Er betonte absichtlich das Wort „Tochter“, als wollte er die Familie Seymour daran erinnern, dass Scarlett zumindest dem Namen nach eine Tochter des Hauses war.
David griff schnell ein. „Ich habe nicht klar gedacht. Scarlett, steh nicht einfach herum – komm und setz dich.“ Er wandte sich an Sebastian mit einem beschwichtigenden Lächeln. „Herr Howard, bitte nehmen Sie Platz. Möchten Sie etwas Tee?“
Edith biss fast ihre Zähne zu Staub, wagte es jedoch nicht, Sebastian zu widersprechen. Sie konnte Scarlett nur einen giftigen Blick zuwerfen.
Scarlett stand wie angewurzelt da, leicht benommen. Half Sebastian ihr etwa? Diese Erkenntnis löste etwas Merkwürdiges in ihr aus.
Dieser Sebastian, der sie vor wenigen Stunden in seinem Auto kontrolliert und gedemütigt hatte, verteidigte sie nun in der Villa der Seymours. Was dachte er sich dabei?
Sie schaute zu Sebastian auf und traf versehentlich seinen Blick. Seine Augen waren tief, wie ein bodenloser, kalter See.
Scarletts Herz setzte einen Schlag aus, und sie wandte instinktiv den Blick ab. Was auch immer seine Motive waren, diese „Rettung“ machte alles nur noch ironischer.
Sebastian sah weg, während David und Brianna ihn eifrig zum Esstisch führten. Die Familie Seymour nahm nach und nach ihre Plätze ein.
Scarlett zögerte nicht lange. Sie ging schweigend zum Tisch und setzte sich.
Das Essen wurde schnell serviert. Edith saß neben Sebastian und legte ihm unaufhörlich Essen auf den Teller, ihre Stimme widerlich süß. „Seb, probier diesen gegrillten Fisch. Ich habe ihn speziell für dich zubereiten lassen.“
Sebastians Teller war bald überfüllt, doch er hatte keinen einzigen Bissen genommen, trank gelegentlich nur einen Schluck Tee.
Während sie Ediths Stimme lauschte und Sebastians gleichgültige Haltung beobachtete, stieg Wut in Scarlett auf.
Während sie einen angemessenen Gesichtsausdruck beibehielt, hob sie unter dem Tisch ihren Fuß und strich absichtlich an Sebastians Bein entlang – eine leichte Berührung, aber voller Trotz.
Sebastian sah Scarlett an, seine tiefen Augen blitzten interessiert auf. Diese Scarlett wurde mutiger. Er blieb still, ließ zu, dass die Spitze ihres Schuhs dreist sein Hosenbein streifte.
Edith plapperte aufgeregt weiter, völlig ahnungslos, dass ihr vermeintlicher Verlobter geistig abgeschaltet hatte oder von der geheimen Interaktion zwischen den beiden nichts mitbekam.
Sie war zu sehr in ihrer Fantasie vertieft, Sebastians Frau zu werden, und redete ununterbrochen über ihr zukünftiges Leben zusammen.
„...Wenn wir verheiratet sind, möchte ich ein Haus in den westlichen Vororten kaufen. Die Umgebung dort ist wunderschön, und es ist in der Nähe von Herrn George Howards Haus...“
Scarlett fand ihre Worte schmerzhaft ironisch. Sie legte ihr Besteck hin und wischte sich mit einer Serviette den Mund ab. „Ich bin satt. Ich gehe jetzt nach oben.“
Zurück in ihrem Zimmer atmete sie endlich aus. Der Dachboden war erbärmlich klein und spärlich eingerichtet. Sie ging zum Fenster und blickte auf den Garten hinunter, ihre Gedanken in Aufruhr.
Plötzlich öffnete sich hinter ihr die Tür. Sebastian trat ein und schloss sie hinter sich.
„Was machst du hier?“ Scarlett fuhr erschrocken herum und sah ihn misstrauisch an. „Solltest du nicht bei deiner ‚Verlobten‘ sein?“
Sebastian ignorierte ihre Frage. Er ging direkt auf sie zu, sein Blick fixierte den deutlichen Handabdruck auf ihrem Gesicht, seine Stirn runzelte sich. „Wer hat dich geschlagen?“
Sein Ton war neutral, emotionslos, dennoch ließ er Scarletts Herz einen Schlag aussetzen. Sie wandte sich ab, ihre Stimme triefend vor Spott. „Wer sonst? Deine zukünftige Schwiegermutter, Brianna.“
Sie hielt inne, drehte sich zu ihm um, eine Herausforderung blitzte in ihren Augen. „Was? Willst du mich rächen, Mr. Howard?“
Sebastian starrte sie schweigend an. Als Scarlett sein Schweigen sah, lachte sie plötzlich, der Klang war schwer vor Selbstverachtung. „Ich wusste es.“
Ihre Worte trafen Sebastian, sein Gesichtsausdruck verdunkelte sich. Er streckte die Hand aus, wollte die Markierung auf ihrem Gesicht berühren, doch Scarlett wich ihm aus.
„Fass mich nicht an.“ Ihre Stimme war kühl, voller Groll. „Du musst nicht so tun, als ob du dich kümmerst.“
Sebastians Hand erstarrte in der Luft, sein Gesicht verhärtete sich. Er zog seine Hand zurück und wandte sich zur Tür. „Benehm dich.“ Mit diesen Worten verließ er den Raum.
Scarlett sah ihm nach, ihre Gefühle waren ein einziges Durcheinander. Sie dachte, sie würde es genießen, ihn zurückgewiesen zu sehen, aber als er sich zum Gehen wandte, spürte sie ein unerklärliches Gefühl des Verlustes.
Kurz darauf hörte sie unten einen Motor starten. Sie ging zum Fenster und sah, wie Sebastians Auto die Seymour-Villa verließ. Überraschenderweise war er allein—Edith war nicht bei ihm. Anscheinend hatte er wirklich kein Interesse an Edith.
Während sie darüber nachdachte, wurde ihre Tür gewaltsam aufgestoßen. Edith stürmte herein, ihr Lächeln war längst verschwunden, ersetzt durch intensive Eifersucht und Groll.
„Du Schlampe! Was hast du versucht, Sebastian schöne Augen zu machen? Willst du die soziale Leiter hochklettern und seine Frau werden? Träum weiter!“
Sie trat näher, ihre Stimme sank zu einem giftigen Flüstern, „Die Familie Howard will eine Seymour-Tochter heiraten—und das werde ich sein! Du bist nur ein unerwünschtes Bastardkind, das von der Seymour-Familie aufgenommen wurde, nur weil deine schamlose Mutter uns mit ihrem Selbstmord gezwungen hat! Du bist genauso wie sie—eine Schlampe, die schmutzige Tricks benutzt, um Männer zu verführen!“
Bei der Erwähnung ihrer Mutter wurde Scarletts Gesicht blass. Sie erhob sich abrupt und fixierte Edith mit einem eisigen Blick. „Halt den Mund! Wage es nicht, so über meine Mutter zu reden!“
„Ich werde!“ Edith, erfreut über ihre Reaktion, drängte weiter. „Wie die Mutter, so die Tochter! Denkst du, dass du etwas Besonderes bist, nur weil du hübsch bist? Nur weil Seb dich angesehen hat, denkst du, du hast eine Chance? Lass mich dir sagen, wenn er dich ansieht, sieht er nur einen Witz!“
Scarlett ballte die Fäuste, ihre Nägel gruben sich in ihre Handflächen. Ihr Körper zitterte, nicht vor Angst, sondern vor Wut. Doch sie wusste, dass es sinnlos war, mit Edith zu streiten.
Sie atmete tief durch und zwang sich zur Ruhe. „Denk, was du willst. Ob ich ein Witz bin oder nicht—du kennst die Wahrheit.“
„Du—!“ Edith war vor Wut sprachlos. Sie hob die Hand, um zuzuschlagen.
Scarlett, vorbereitet, fing ihr Handgelenk ab. „Edith, treib es nicht zu weit.“ Ihre Augen waren kalt, gefährlich.
Edith zuckte bei ihrem Blick zusammen und wich instinktiv zurück. Doch sie gewann schnell ihre arrogante Haltung zurück. „Warte nur! Du solltest dich benehmen, sonst habe ich hundert Wege, dein Leben zur Hölle zu machen!“
Mit dieser Drohung stürmte Edith hinaus und schlug die Tür zu.
Kaum war sie gegangen, trat Brianna ein. Ihr Gesicht zeigte keine der Schmeicheleien, die sie vor Sebastian zur Schau gestellt hatte—nur unverhohlene Abscheu.
„Ich habe ein Treffen für dich arrangiert“, sagte sie mit einem spöttischen Lächeln, ihre Stimme triefte vor Herablassung. „Mr. Campbell—schon mal von ihm gehört? Seine Familie ist im Baugewerbe tätig. Nicht ganz die Familie Howard, aber in unseren Kreisen respektabel genug.“
Scarlett sah zu ihr auf, ihre Augen leer von Emotionen.
„Du wirst nicht jünger. Du kannst nicht ewig auf Kosten der Seymour-Familie leben.“ Briannas Blick wanderte über Scarletts blasses Gesicht mit unverhohlener Verachtung.
„Mr. Campbell hat dein Foto gesehen und nichts dagegen einzuwenden. Ich werde dich zu ihm bringen. Wenn er dich mag, kannst du dich glücklich schätzen—zumindest wirst du uns nicht mehr im Weg stehen.“
Also wollte Brianna sie an jemand anderen verheiraten. Scarlett lachte innerlich, hielt ihr Gesicht aber ausdruckslos. „Ich werde nicht gehen.“
„Was hast du gesagt?“ Brianna reagierte, als hätte sie den lächerlichsten Witz gehört, ihre schrille Stimme war fast durchdringend. „Du wagst es, abzulehnen? Scarlett, sei nicht undankbar! Dass Mr. Campbell dich in Betracht zieht, ist dein Glück! Andere würden dich nicht einmal ansehen!“
Sie trat näher, senkte ihre Stimme, ihre Worte giftig, „Lass mich das klarstellen—du hast keine Wahl in dieser Angelegenheit! Wenn du klug bist, wirst du ihn treffen und heiraten. Alle gewinnen. Aber wenn du es wagst, das zu ruinieren, habe ich Wege, dafür zu sorgen, dass du nicht in der Seymour-Familie bleiben kannst!“


















































































