Kapitel 2 Begegnung mit Mason

„Mama?“

Für den kleinen Mason Thomas war „Mama“ ein Wort, das sich weit, weit entfernt anfühlte.

Die Familie Thomas war in Emerald City eine bedeutende Präsenz, mit zahlreichen Mitgliedern, und Mason war der Sohn von James Thomas, dem Oberhaupt der Familie.

Eigentlich hätte Mason alles haben sollen—Liebe, Aufmerksamkeit, das volle Programm.

Aber in Wirklichkeit fühlte er nie Wärme.

Mason hatte Autismus und konnte als Kind nicht sprechen. Die anderen Kinder in der Familie machten sich über ihn lustig und nannten ihn „kleiner Stummer“. Vor zwei Monaten verletzte er sich bei einem Unfall am linken Bein, und nun nannten sie ihn „kleiner Krüppel“.

Die Verwandten behandelten ihn, als wäre er unsichtbar, als wäre er eine Peinlichkeit für die Familie Thomas.

James liebte ihn sehr. Egal wie beschäftigt er war, er nahm sich immer Zeit für Mason, kochte für ihn und verbrachte Qualitätszeit mit ihm. Aber James war oft so beschäftigt, dass Mason manchmal hungrig einschlief, während er auf seine Rückkehr wartete.

Und James, als Mann, konnte die Rolle einer Mutter nicht ausfüllen. Also, auch wenn Mason etwas väterliche Liebe von James spürte, war er dennoch einsam.

Und jetzt behauptete diese fremde Frau, seine Mutter zu sein?

Sollte er ihr glauben?

Mason biss sich nervös auf die Lippe und schaute schüchtern auf das sanfte Lächeln auf Emilys Gesicht. Er dachte daran, wie Emily ihn gerade schützend in ihren Armen gehalten hatte, so warm und sicher.

Ist eine Mutterumarmung immer so warm und tröstlich?

Könnte er, wie andere, Mutterliebe haben?

Aber James hatte ihm gesagt, dass er Fremden nicht leicht vertrauen sollte.

Bei diesem Gedanken machte Mason ein paar Schritte zurück, immer noch misstrauisch.

„Schatz?“

Emily sah in Masons misstrauische Augen mit einem Mix aus Herzschmerz und Hilflosigkeit. Sie wusste, dass sie in dem Moment etwas impulsiv gewesen war. Schließlich würde kein normaler Mensch einem Fremden glauben, der plötzlich auftaucht und behauptet, ihre Mutter zu sein.

Verstanden!

Emilys Augen leuchteten auf, und sie lächelte Mason sanft an.

„Warte kurz. Ich finde dir ein paar Spielkameraden, okay?“

Spielkameraden?

Mason verstand es nicht. Er schaute mit einer Mischung aus Angst und Neugier auf Emily.

Emily nahm ihr Handy heraus und tätigte einen Anruf. Bald darauf kamen zwei coole und gutaussehende Jungen, die sich ähnlich sahen, herüber.

„Mama!“

Chase rannte herüber und umarmte Emilys Bein.

Jasper folgte Chase leise, seine hellen, kühlen Augen beobachteten Mason neugierig.

Mason war verblüfft. Er schaute auf die beiden Jungen in ihren schicken Anzügen, die neben der Frau standen, einer von ihnen nannte sie liebevoll „Mama“.

Also hatte diese Frau ihn angelogen.

Sie war nicht seine Mutter; sie war ihre Mutter.

Masons Nase kribbelte, und er senkte den Kopf, klammerte sich fest an den Saum seines Hemdes, fühlte sich verloren und unsicher.

Emily warf einen Blick auf Mason und zog die beiden Jungen näher, flüsterte ihnen etwas ins Ohr.

Nach einem Moment gingen die beiden Jungen auf Mason zu.

„Hey, ich bin Chase, und das ist mein Zwillingsbruder Jasper. Wie heißt du?“

Der lebhafte Chase war der Erste, der Masons kleine Hand ergriff und sich mit einem großen Lächeln vorstellte.

Mason blinzelte mit seinen hellen Augen die beiden Jungen vor ihm an, presste die Lippen zusammen und sagte kein Wort.

„Hey, warum redest du nicht? Mama sagt, es ist höflich zu antworten, wenn jemand mit dir spricht“, sagte Chase mit einem erwachsenen Ton und schüttelte den Kopf.

Mason hielt weiterhin den Mund.

Kann dieses Kind nicht sprechen? Emily erinnerte sich daran, wie die Kinder Mason zuvor verspottet hatten, und fühlte sich noch herzzerreißender.

Sie ging hinüber und hockte sich hin, um Masons Blick zu begegnen.

„Kannst du schreiben?“ fragte Emily sanft.

Mason nickte.

„Dann schreib doch deinen Namen für uns, okay?“

Emily streckte Mason ihre Handfläche entgegen.

Mason blinzelte und streckte langsam seine dünne kleine Hand aus, zeichnete Buchstaben in Emilys Handfläche.

Emilys Augen weiteten sich, als sie die Narbe auf Masons schwachem Handgelenk sah, eine Brandnarbe von einer Zigarette.

Gott! Was hatte ihr Sohn in den fünf Jahren, in denen sie getrennt waren, durchgemacht?

„Mason?“

Chase las laut vor und strahlte dann Mason an. „Dein Name ist wirklich schön.“

Masons Gesicht wurde leicht rot. Es war das erste Mal, dass er ein so direktes Kompliment erhielt, und er fühlte eine seltene Freude.

„Mason“, lächelte Emily und hielt Masons kleine Hand sanft. „Findest du nicht, dass du deinen beiden Brüdern sehr ähnlich siehst?“

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