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Ich erhaschte einen flüchtigen Blick auf einen Schatten – eine wolfsähnliche Gestalt, die um die Ecke huschte. Mein Atem stockte, und ich schoss in die entgegengesetzte Richtung, während Panik durch meine Adern jagte. Sie hatten mich gefunden. Irgendwie, auf unmögliche Weise, hatten sie mich so schnell aufgespürt. Es konnte nicht nur der Geruch meines Blutes gewesen sein. Sie mussten schon eine Weile gewusst haben, wo ich war, und nur auf den richtigen Moment gewartet haben, um zuzuschlagen.

Hatten sie die ganze Zeit in dieser Stadt gejagt, direkt vor meiner Nase? Der Gedanke ließ mich erstarren. Ich war so vorsichtig gewesen, so methodisch, hatte sie jahrelang ausmanövriert. Und doch stand ich hier – unvorbereitet, in die Enge getrieben und zu Tode verängstigt.

Nach Hause kommen. Die Überlebenstasche schnappen. Zum Bahnhof, sagte ich mir, während ich durch die regennassen Straßen sprintete. Das Geld aus dem Schließfach holen und verschwinden. Nicht zurückblicken.

Doch das Knurren ließ mich innehalten. Tief und kehlig grollte es aus der Gasse vor mir. Mein Blick schnellte zu den Wänden, an denen sich die Schatten unnatürlich streckten – drei wolfsähnliche Silhouetten, die näher schlichen. Mein Herz sank, als ich hinter mich blickte. Zwei weitere lauerten im Gässchen und schnitten mir jeden Fluchtweg ab.

Ich ballte die Fäuste, nahm eine feste Haltung ein und ließ meine Handtasche zu Boden fallen. „Fünf gegen eine? Die Herren wissen wirklich, wie man einer Frau das Gefühl gibt, etwas Besonderes zu sein“, witzelte ich, meine Stimme schärfer, als ich mich fühlte.

Die Schatten verschoben sich, verzerrten sich grotesk, bis sie menschliche Gestalt annahmen. Drei Männer traten aus der Dunkelheit vor mir hervor, groß und muskulös, ihr grausames Grinsen spiegelte sich in ihren raubtierhaften Augen wider.

„Wir wollen dir nicht wehtun, Prinzessin. Nicht, wenn du uns nicht dazu zwingst“, knurrte einer von ihnen, seine Stimme triefte vor falscher Höflichkeit.

Die anderen fächerten sich auf, ihre Haltung war lässig, aber gezielt. Ich ballte die Fäuste fester. „Ruhig bleiben, Thalassa. Konzentrier dich“, murmelte ich vor mich hin. Vitalpunkte. Schnell bewegen. Nicht zögern.

„Na los, Prinzessin“, höhnte einer. „Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit. Ergib dich, und vielleicht sind wir gnädig mit dir.“

Er streckte die Hand nach mir aus, die Handfläche geöffnet, als böte er Gnade an. Das war ein Fehler. Ich packte sein Handgelenk, drehte es mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte, und schleuderte ihn mit einem schmerzerfüllten Grunzen auf das Pflaster.

„So behandelt man keinen Gentleman!“, brüllte ein anderer und stürzte sich auf mich.

Er holte aus, doch ich wich aus, rammte ihm meinen Handballen gegen den Kiefer und zielte dann auf seine Augen. Er taumelte heulend zurück, seine Flüche klangen in meinen Ohren. Zwei erledigt.

Doch der dritte kam von hinten und schlang seine Arme um mich. Ich stieß ihm meinen Ellbogen in die Rippen und trat ihm fest auf den Fuß. Ich riss mich gerade lange genug los, um mich herumzuwirbeln und ihm in den Solarplexus zu schlagen. Als er sich krümmte, schoss ich an ihm vorbei, meine Beine brannten vor Anstrengung bei dem Versuch zu entkommen.

Ich wagte es nicht, zurückzuschauen. Jeder Atemzug fühlte sich wie Feuer in meiner Lunge an, aber ich trieb mich weiter an, wissend, dass sie mir dicht auf den Fersen sein würden. Die Ecke eines verlassenen Gebäudes kam in Sicht und bot eine winzige Chance auf Deckung. Nur noch ein paar Schritte.

Und dann sah ich ihn – eine große Gestalt mit feuerrotem Haar, die mir mit einem Lächeln in den Weg trat, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Seine Arme waren weit ausgebreitet und blockierten meine Flucht.

„Nein“, flüsterte ich, während sich die Angst wie Blei in meiner Brust ausbreitete. Nicht er.

„Schon auf dem Weg wohin, Prinzessin?“, spottete Merrick, seine Stimme triefte vor Hohn.

Ich wich nach links aus und suchte verzweifelt nach einem anderen Weg, aber er war zu schnell. Seine Hand schoss vor, packte mich am Kragen und riss mich zurück. Ich schlug hart auf dem Boden auf, rappelte mich aber sofort wieder auf, während meine Gedanken rasten. Ich konnte nicht gewinnen – nicht gegen ihn –, aber aufgeben war undenkbar.

Ich schlug ihm mit aller Kraft in den Magen, aber es schien ihn kaum zu beeindrucken. Merrick lachte, ein tiefes, kehliges Geräusch, das mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte.

„Genug der Spielchen“, sagte er, seine Stimme sanft, aber tödlich. Er packte meine Kehle in einem schraubstockartigen Griff und hob mich vom Boden hoch. Ich krallte mich in seine Hand und rang nach Luft, aber seine Kraft war unnachgiebig. Die Ränder meines Sichtfelds verdunkelten sich, und Tränen stachen mir in die Augen, während meine Lungen brannten.

Merrick grinste höhnisch. „Wärst du nicht so wertvoll, hätte ich dich schon längst umgebracht“, murmelte er, sein Atem heiß an meinem Ohr. Er warf mich zu Boden wie eine kaputte Puppe.

Ich schnappte nach Luft und hustete heftig, als er sich neben mich hockte. Aus seiner Tasche zog er eine Spritze, deren Nadel unheilvoll glänzte.

„Ich werde nicht riskieren, dass du noch mehr Ärger machst“, sagte er mit einem fiesen Grinsen und zog die Kappe mit den Zähnen ab.

Der Stich der Nadel in meinem Hals war nichts im Vergleich zu dem brennenden Schmerz, der folgte. Es fühlte sich an, als stünden meine Adern in Flammen. Ich versuchte, die Spritze herauszuziehen, aber mein Körper weigerte sich zu gehorchen. Meine Glieder wurden schwer, und die Welt um mich herum verschwamm.

„Du … Mistkerl“, krächzte ich, meine Stimme kaum ein Flüstern.

„So eine unflätige Sprache, Eure Hoheit“, spottete Merrick, und sein Grinsen wurde breiter. „Diese Arroganz werden wir dir schon noch austreiben.“

Ich versuchte, mich aufzurichten, aber meine Kraft war verschwunden. Seine Männer zerrten mich an den Armen hoch und schleiften mich wie eine Stoffpuppe in Richtung der Gasse. Meine Sicht trübte sich, und Verzweiflung machte sich in mir breit.

Dann, aus der Dunkelheit, bewegte sich ein Schatten – ein schwarzer Schemen, schneller, als meine Entführer reagieren konnten. Der Mann, der mich zerrte, schrie auf, als etwas durch die Luft zischte, und der Griff um meine Arme lockerte sich.

„Dumme Köter“, sagte eine tiefe, unbekannte Stimme gedehnt.

Ich blinzelte und versuchte, scharf zu sehen. Eine Gestalt in einem langen schwarzen Mantel trat ins Blickfeld, sein hoher Kragen verdeckte den größten Teil seines Gesichts.

„Wer zum Teufel bist du?!“, knurrte Merrick.

„Das musst du nicht wissen“, erwiderte der Mann kühl und trat näher. In seiner Stimme lag eine gefährliche Schärfe, die mir einen Schauer über den Rücken jagte.

Einer von Merricks Männern stürmte auf ihn zu, aber mit einer einzigen, mühelosen Bewegung packte der Fremde das Bein des Angreifers und verdrehte es. Ein widerliches Knacken hallte durch die Nacht.

„Du bist tot!“, brüllte Merrick, seine Wut war förmlich greifbar.

Der Mann im Mantel trat ins Licht, sein silbernes Haar schimmerte unter der Straßenlaterne. Mir stockte der Atem. Er war es – der Fremde aus dem Café.

„Du kannst mich nicht töten“, sagte er in einem ruhigen, aber bedrohlichen Ton. Seine Lippen verzogen sich zu einem teuflischen Lächeln. „Ich bin bereits tot.“

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