Kapitel 3: Sawyer

(Früher an diesem Tag)

„Es tut mir leid, Sawyer. Wenn du eine weitere Chance bei den Drafts willst, ist das der einzige Weg. Du brauchst einen Neuanfang mit einem neuen Team“, sagt der Coach erneut zu mir.

Das ist seine Art zu sagen, dass ich es hier königlich vermasselt habe und er sein Problemkind einem anderen Coach überlassen muss, der sich damit herumschlagen soll. Nun, es ist mir scheißegal, wohin sie mich schicken, denn es wird nichts ändern. Nach dem College werde ich nur ein weiterer gescheiterter Athlet sein. Sicher, ich habe mich besser erholt als die meisten, aber mein Coach hat mich trotzdem vorsichtshalber für weitere Monate auf die Bank gesetzt. Als ich wieder spielen durfte, hatte ich all diese Wut und diesen Groll in mir aufgestaut, die ich auf dem Eis rausließ.

Ich galt als tödlicher Spieler, und das nicht im positiven Sinne. Im Grunde bin ich seit meiner Verletzung stinksauer auf die ganze Welt und wurde von den Scouts als Fehlinvestition abgestempelt. Sie wollen unbefleckte Spieler, und ich gehörte nicht mehr dazu. Also sprach der Coach mit einem seiner Kumpel, der meinte, sie hätten Erfolg damit, verletzte Spieler wieder in Topform zu bringen, und einige seien sogar gedraftet worden. Laut Coach ist das meine letzte Chance, mich zu rehabilitieren.

„Ja, Coach, ich hab’s kapiert“, sage ich weniger als begeistert.

Vielleicht hätte ich niemals zurückkommen sollen, aber ich wollte allen beweisen, dass ich jetzt genauso gut sein kann wie früher. Sogar besser. Alles, was ich erreicht habe, ist, mich noch mehr zum Außenseiter zu machen. Meine ehemaligen Teamkollegen weigern sich, weiterhin mit mir zu spielen, und haben mir auf und neben dem Eis komplett den Rücken gekehrt. Nun, scheiß auf sie! Das alles ist mir mittlerweile völlig egal. Warum bleibe ich also noch hier?

Ich liebe Eishockey immer noch, und es fühlt sich an, als wäre mir ein Teil von mir genommen worden, als ich mich verletzt habe. Eishockey ist mein Leben, und ich sollte ein großer Athlet werden und einen riesigen Vertrag unterschreiben, damit ich endlich für meine Mom sorgen kann. Sie hat sich den Arsch aufgerissen, um Zach und mich großzuziehen. Ich schulde ihr so viel, und dieses Versprechen werde ich nicht brechen. Klar, ihr neuer Mann ist ein anständiger Kerl und macht sie glücklich, aber sie verdient mehr als ein kleines Haus und einen aussichtslosen Job im örtlichen Blumenladen.

Zach geht es gut genug, um unser altes Haus zu kaufen, was meiner Mom sehr geholfen hat, aber das war seine Art, es ihr zurückzuzahlen, und das hier ist meine. Sie hat mir meine ersten Schlittschuhe gekauft und mich ins lokale Team gebracht. Es war ihre harte Arbeit, die mir mein Stipendium eingebracht hat, und ich habe alles vermasselt, indem ich ein kompletter Idiot war!

„Mach das Beste aus der Situation, mein Junge“, sagt der Coach, und ich nicke.

Ich weiß, was er als Nächstes sagen wird, aber ich habe keine Lust mehr auf seine Reden und muss einen Flug erwischen.

„Danke, Coach. Man sieht sich“, sage ich, stehe auf und verlasse sein Büro, ohne einen einzigen Kerl in der Umkleide anzusehen.

Sie sind nicht mehr mein Team.

Jetzt steht mir ein ganz anderer Scheißsturm bevor, und ich bin mir immer noch nicht sicher, warum ich mich dafür entschieden habe.

Als Poppy mir erzählte, dass Bryn zu Hause sei und sich an Colleges bewerbe, war ich aufgeregt. Aus irgendeinem Grund hatte ich die Hoffnung, sie würde an meine Uni kommen, und ich könnte endlich den Riss zwischen uns kitten. Ich habe es bei ihr gewaltig vermasselt, und die Schuld frisst mich seit Jahren auf, aber ich war ein zu großer Feigling, um mich dem Ganzen zu stellen. Es war leicht, es zu ignorieren, weil sie nicht da war und ich mit Eishockey beschäftigt war, aber das war alles nur eine Ausrede. Ich bin ihr trotzdem in den sozialen Medien gefolgt und habe ihre ganze Arbeit unten in Ecuador mitverfolgt. Sie sah so glücklich aus, und es hat mich fertiggemacht, nicht mit ihr gehen oder sie auch nur anrufen zu können.

Dann habe ich mich verletzt und alle von mir gestoßen. Sie hat mich sogar angerufen, um sicherzugehen, dass es mir gut geht, aber ich bin nicht rangegangen. Was hätte ich ihr sagen sollen? Sie wäre eine weitere Person gewesen, die ich enttäuscht hätte, und ich wollte das Mitleid in ihrer Stimme nicht hören. Bryn war meine größte Unterstützerin gewesen, und das habe ich versaut! Ich habe sie verletzt, und ich hätte Eier in der Hose haben und mich entschuldigen sollen, aber ich war ein dummer Junge. Dann wurde ich zu einem Arschloch von Erwachsenem, der sich nur um sich selbst kümmerte.

Jetzt habe ich nichts mehr und keine Ahnung, was ich mit mir anfangen soll. Als ich also Poppy ausfragte, wohin Bryn gehen würde, begann ich meine neue Mission. Ich werde meine beste Freundin zurückgewinnen! Als der Coach mir also die Liste der Schulen gab, zu denen ich wechseln konnte, war die eine dabei, die Bryn besuchen würde. Zum Glück kannte mein Coach den dortigen Coach, und sie konnten mich in letzter Minute unterbringen.Mit ein wenig mehr Bestechung und Gebettel entlockte ich Poppy weitere Informationen über Bryn. Dann musste ich nur noch die Studentenverwaltung bezirzen und konnte so herausfinden, wo Bryn untergebracht sein würde. Und als ob das Schicksal mir den Weg ebnen wollte, kannte ich den Freund ihrer Mitbewohnerin. Ich rief ihn an und sagte ihm im Grunde, dass er bei seiner Freundin mal einen Zahn zulegen und sie fragen sollte, ob sie bei ihm einziehen will. Er war eine Weile unschlüssig, gab aber schließlich nach, was Bryn ohne Mitbewohnerin dastehen ließ. Eine Position, die ich nur zu gerne einnahm.

Jetzt stehe ich auf dem Bürgersteig und blicke in das fassungslose Gesicht meiner besten Freundin, und alles, was ich tun möchte, ist, auf sie zuzulaufen und sie in meine Arme zu ziehen. Nur verwandelt sich ihr schockierter Ausdruck schnell in dieses furchteinflößende, wütende Gesicht, das ich nur allzu gut kenne.

„Was machst du hier?“, knurrt sie, bevor sie die Arme vor der Brust verschränkt.

Okay … nicht die Reaktion, die ich mir erhofft hatte, aber verdient.

„Ich bin dein neuer Mitbewohner“, sage ich ruhig.

Sie schnaubt verächtlich und hebt ihre Kartons auf.

„Was tust du da?“, frage ich, als sie an mir vorbeistürmt und zu dem klapprigen Auto zurückkehrt, das sie seit ihrem sechzehnten Lebensjahr hat.

„Ich bleibe nicht hier bei dir. Du … Arschloch!“, schreit sie, ohne mich auch nur anzusehen.

Ich muss mir ein Lächeln verkneifen, weil sie früher nie geflucht hat und es irgendwie bezaubernd klingt.

„Wow, das tut weh, Hummel! Sag mir, was du wirklich denkst“, necke ich sie, aber sie wirbelt so schnell herum, dass ich einen Schritt nach vorne mache, um zu verhindern, dass einige ihrer Sachen zu Boden fallen.

„Nenn mich nicht so! Wir sind keine Freunde mehr, also hast du nicht das Recht, meine Spitznamen zu benutzen“, schreit sie.

Ich hebe beschwichtigend die Hände und trete einen Schritt zurück. „Schon gut. Ich werde dich nicht bei irgendwelchen Spitznamen nennen. Aber geh nicht, okay? Es ist spät und ich will nicht, dass du in deinem Auto schläfst oder so. Das Wohnheimamt ist geschlossen, also kannst du im Moment nichts tun. Komm einfach rein und bleib heute Nacht.“

Sie kneift die Augen zusammen. „Warum sollte ich in einem Haus mit einem Typen bleiben, der sich früher meinen besten Freund nannte und mich dann jahrelang geghostet hat? Jahrelang, Sawyer! Ich meine, was zum Teufel?“

Ich zucke bei der harten Wahrheit dessen, was ich ihr angetan habe, zusammen. Sie hat jedes Recht, wütend auf mich zu sein, aber ich werde nicht nachgeben. Von all den Fehlern, die ich gemacht habe, war dieser der schlimmste. Sie war der einzige Mensch in meinem Leben, der jede Seite von mir gesehen hat. Das Gute und das Schlechte, das ich sonst niemandem zu zeigen versuchte, und ich habe sie in Stücke gerissen, indem ich sie beiseitegestoßen habe.

„Du hast jedes Recht, wütend zu sein, aber …“

„Ja, das habe ich! Und ich habe vor, diese Wut noch eine ganze Weile auszukosten!“

Gott, ich habe sie vermisst. Sie hat diese Art, gleichzeitig süß und frech zu sein, die sie zu einer so unterhaltsamen Person macht. Als wir aufwuchsen, habe ich sie ganz für mich allein beansprucht, weil ich sie brauchte, aber ich weiß, sie hätte so viele Freunde gehabt.

„Okay, aber warum bist du nicht wütend und gönnst dir gleichzeitig eine gute Nachtruhe?“, biete ich an, aber sie schnaubt nur.

Ich weiß, was als Nächstes kommt. Es ist, als hätte sich an ihr nichts geändert. Abgesehen von der Tatsache, dass sie jetzt umwerfend schön ist. Sie war schon immer hübsch, aber all diese kindliche Niedlichkeit hat sich in eine Schönheit verwandelt, die ich einfach nicht fassen kann. Zu sehen, wie meine Kindheitsfreundin zu einer atemberaubenden Frau wird, ist ein echter Schock.

Wie ich es vorausgesagt habe, stellt sie ihre Sachen ab und beginnt auf und ab zu gehen, während sie vor sich hin murmelt. Das Gleiche hat sie schon als Kind getan, wenn sie wütend auf mich war. Es war ihre Art, einen ausgewachsenen Streit zu führen, ohne an mir auszulassen. Selbst wenn sie wütend war, versuchte sie, ein guter Mensch zu sein.

„Bryn.“

Sie hebt eine Hand, um mich aufzuhalten, und ich lasse sie ihr Selbstgespräch fortsetzen. Es dauert mehrere Minuten, bis sie schließlich innehält und den Kopf in den Nacken legt. Als sie mich wieder ansieht, sehe ich einen Kampf der Gefühle auf ihrem Gesicht. Es ist, als wollte sie Nein sagen, aber ich bin es eben.

„Na schön. Aber ich werde mir morgen eine andere Bleibe suchen. Ich bin zu müde, um dich heute Abend noch weiter anzuschreien. Hast du jetzt den Schlüssel?“

Ich ziehe den Schlüssel aus meiner Tasche und halte ihn hoch.

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