Eins

Ariadnes Perspektive

Ich kniete im Dreck, Schweiß tropfte in meine Augen, der Geruch von Blut lag schwer in der Luft. Die Körper meiner Leute, Freunde, Nachbarn, Familie, lagen gebrochen um mich herum, das einst lebendige Dorf Elaria war zu Asche reduziert. Meine Schwester Elira schluchzte neben mir, ihr Gesicht blass und mit Ruß verschmiert. Sie klammerte sich an meinen Arm, als ob das Festhalten an mir das Einzige wäre, was sie am Leben hielt.

„Sei still,“ flüsterte ich und zwang Stärke in meine Stimme. Meine Kehle schmerzte vom Schreien, vom Flehen zu den Göttern, mich aus diesem Albtraum zu wecken. „Zieh keine Aufmerksamkeit auf uns.“

Aber es war zu spät. Die Wölfe, nein, die Monster, waren überall, ihre glühenden Augen scannten die Umgebung nach Beute, ihre massigen Gestalten zeichneten sich gegen das Inferno ab. In stummer Wut beobachtete ich, wie sie die Überlebenden wie Vieh zusammentrieben, ihnen mit jedem gebellten Befehl Würde und Menschlichkeit raubten.

Eine Stimme donnerte durch das Chaos, tief und voller Bosheit. „Bringt mir die Jungen und Starken.“

Ich wandte meinen Blick dem Sprecher zu. Dort, über dem Chaos thronend, stand er. König Magnus. Der Bestienkönig von Lupania. Selbst aus der Ferne erstickte seine Präsenz die Luft um ihn herum. Seine dunkle Rüstung glänzte wie das Fell eines Raubtiers, und seine bernsteinfarbenen Augen brannten vor Hass, der mich in der Menge auszusondern schien.

Eliras Griff verstärkte sich, und ich wusste, was sie dachte.

„Sie werden mich mitnehmen,“ flüsterte sie, ihre Stimme zitternd.

Ich zögerte nicht. „Nein, werden sie nicht.“

Bevor sie widersprechen konnte, riss ich den Saum meines Hemdes und band meine Brust, mich in den Schatten der Verzweiflung tarnend. Ich schob sie hinter mich, hob mein Kinn, als ich vortrat, und ignorierte das Pochen meines Herzens.

„Nehmt mich,“ rief ich, meine Stimme fest trotz des Zitterns in meinen Gliedern.

Magnus wandte sich dem Klang zu, sein raubtierhafter Blick fixierte sich auf mich. Die Intensität seines Blicks drohte, meine Entschlossenheit zu durchbohren, aber ich hielt stand.

„Du?“ Seine Lippe verzog sich zu etwas zwischen einem Naserümpfen und einem Lächeln. „Ein Kind, das Tapferkeit spielt?“

„Ich bin kein Kind,“ sagte ich und zwang Stärke in meine Stimme. „Ich bin ein Prinz von Elaria.“

Die Menge verstummte. Elira schnappte hinter mir nach Luft, aber ich schaute nicht zurück. Das konnte ich mir nicht leisten.

König Magnus neigte den Kopf, seine Augen verengten sich, als er von seinem Podest herabstieg. Jeder Schritt, den er machte, ließ die Erde erbeben, und als er schließlich vor mir stehen blieb, verschlang sein Schatten meinen.

„Ein Prinz?“ wiederholte er, seine Stimme ein leises Knurren.

Ich hielt seinem Blick stand und weigerte mich zu zucken. „Ja.“

Der Mundwinkel zuckte, Belustigung blitzte hinter seiner harten Fassade auf. „Dann verneige dich vor deinem König, kleiner Prinz.“

„Ich verneige mich vor keinem Biest.“

Die Worte verließen meine Lippen, bevor ich sie aufhalten konnte, eine rücksichtslose Trotzreaktion, geboren aus Wut und Trauer. Ein kollektives Keuchen ging durch die Menge, und ich machte mich auf den Schlag gefasst, von dem ich wusste, dass er kommen würde.

Doch König Magnus schlug mich nicht. Stattdessen lachte er, ein tiefes, grollendes Geräusch, das mir einen Schauer über den Rücken jagte.

„Mutig,“ sagte er und umkreiste mich wie ein Raubtier, das seine Beute mustert. „Aber Mut kann gefährlich sein.“

„Und Feigheit ebenso,“ entgegnete ich, während mein Herz in meiner Brust hämmerte.

Sein Lachen erstarb, und ein kalter, berechnender Ausdruck trat an seine Stelle. „Du amüsierst mich, Mensch. Vielleicht behalte ich dich.“

Ich schluckte die Galle hinunter, die mir in die Kehle stieg. „Wenn es bedeutet, dass meine Schwester frei kommt, dann tu, was du willst.“

König Magnus' Blick wanderte zu Elira, die sich zitternd in den Schatten klammerte. Seine Lippe kräuselte sich vor Verachtung. „Schwach,“ murmelte er. Dann kehrten seine Augen zu mir zurück, scharf und unerbittlich. „Sehr gut, 'Prinz'. Du gehörst jetzt mir.“

Bevor ich antworten konnte, packten mich raue Hände an den Armen und zerrten mich von Elira weg. Sie schrie und griff nach mir, aber ich schüttelte den Kopf.

„Bleib stark,“ sagte ich, meine Stimme brach. „Ich werde einen Weg finden, dich zu beschützen. Ich verspreche es.“

Doch als sie mich den bedrohlichen Pfad zur Mondstein-Zitadelle hinaufzerrten, fühlte ich, wie dieses Versprechen mir wie Sand durch die Finger glitt.

Der Wagen ratterte unter mir, während wir tiefer in feindliches Territorium vordrangen. Die Ketten um meine Handgelenke schnitten in meine Haut, eine ständige Erinnerung an meine neue Realität.

König Magnus saß mir gegenüber, still und imposant. Seine bernsteinfarbenen Augen beobachteten mich mit einer Intensität, die mir die Haut kribbeln ließ, aber ich weigerte mich, Angst zu zeigen.

„Wie ist dein Name?“ fragte er schließlich und durchbrach die schwere Stille.

Ich zögerte. Mein richtiger Name fühlte sich zu heilig an, um ihn an diesem verfluchten Ort auszusprechen, also bot ich ihm die einzige Wahrheit, die ich konnte. „Ariadne.“

Er hob eine Augenbraue. „Ein seltsamer Name für einen Prinzen.“

Ich hielt seinem Blick stand, die Lüge brannte auf meiner Zunge. „Es war die Wahl meiner Mutter.“

Für einen Moment glaubte ich, einen Anflug von etwas, vielleicht Reue, in seinen Augen zu sehen. Aber es verschwand so schnell, wie es erschienen war, ersetzt durch seine übliche kalte Haltung.

„Du bist eine Lügnerin,“ sagte er mit einem tiefen Knurren.

Mein Herz setzte einen Schlag aus, aber ich zwang mir ein schiefes Lächeln auf. „Und du bist ein Biest. Es scheint, wir sind beide gut darin, das zu sein, was die Welt von uns erwartet.“

Seine Lippen zuckten, aber er sagte nichts.

~

Als wir an der Zitadelle ankamen, wurde ich in eine schwach beleuchtete Kammer gestoßen, die nach feuchtem Stein und Eisen roch. Die Wachen verließen den Raum wortlos, die schwere Tür schlug hinter ihnen zu.

Ich sank auf den Boden, das Gewicht meiner Situation brach endlich über mir zusammen. Die Realität war erdrückend. Meine Schwester war noch immer in Gefahr, und ich war im Herzen des Feindes gefangen.

Aber Verzweiflung würde Elira nicht retten. Ich musste stärker sein als das, klüger.

Ich berührte die Kette, die unter meinem Hemd versteckt war, ein kleiner Anhänger, den mir meine Mutter vor dem Überfall gegeben hatte.

Du bist stärker, als du denkst, Ariadne, hallte ihre Stimme in meinem Kopf.

Vergiss das nie.

Tränen verschwammen vor meinen Augen, aber ich wischte sie weg. Magnus mochte meine Freiheit genommen haben, aber meinen Willen würde er nicht nehmen.

Das war nicht das Ende. Es war erst der Anfang.

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