Drei

Eine stumme Erinnerung daran, wie leicht er mich vernichten könnte. Mein Puls dröhnte unter seiner Berührung, aber ich hielt stand.

„Angst ist ein Werkzeug“, sagte er, seine Stimme ein tiefes Knurren. „Sie hält die Menschen in Schach. Sie hält sie am Leben. Du magst jetzt keine Angst vor mir haben, aber das wirst du noch. Und wenn es soweit ist, wirst du verstehen, warum ich so herrsche, wie ich es tue.“

Er trat zurück, seine Präsenz immer noch erdrückend, selbst als er sich entfernte. „Du willst deine Schwester beschützen? Dann überlebe. Beweise mir, dass du mehr bist als nur ein weiteres zerbrechliches Menschenwesen.“

Ich sagte nichts, biss die Zähne zusammen, während ich meine Emotionen im Zaum zu halten versuchte.

„Entlassen“, sagte er mit einer Handbewegung, als wäre ich nichts weiter als ein Insekt, das seiner Aufmerksamkeit nicht würdig war.

Ich drehte mich auf dem Absatz um, meine Schritte gemessen und ruhig, als ich den Thronsaal verließ. Doch in dem Moment, als sich die Türen hinter mir schlossen, brach das Gewicht der Begegnung über mir zusammen.

Meine Knie gaben nach, und ich presste eine Hand gegen die kalte Steinwand, nach Luft schnappend.

Er wird mich nicht brechen, dachte ich und ballte die Fäuste.

Er kann es nicht.

Aber während ich dort stand, sein Echo in meinem Kopf, konnte ich das Gefühl nicht abschütteln, dass ich gerade einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte und nicht sicher war, ob ich gewinnen konnte.

ARIADNES PERSPEKTIVE

Die Mondstein-Zitadelle war ein Labyrinth aus kaltem Stein und dunkleren Geheimnissen. Die Gänge waren still, abgesehen vom fernen Echo meiner Schritte, eine Stille, die in deine Knochen kroch und dich an deinem eigenen Dasein zweifeln ließ. Ich versuchte, meinen Atem zu beruhigen, aber das Gewicht dessen, was gerade im Thronsaal geschehen war, drückte wie eine Gewitterwolke auf mir.

König Magnus.

Schon der Gedanke an seinen Namen jagte mir einen Schauer über den Rücken. Die Erinnerung an seine bernsteinfarbenen Augen, so durchdringend, dass sie schienen, bis in meine Seele zu blicken, blieb wie ein blauer Fleck, den ich nicht wegwischen konnte. Die Art, wie er sprach, jedes Wort getränkt mit Autorität und Gefahr, hatte mich erschüttert, auch wenn ich eher gestorben wäre, als das zuzugeben.

Ich legte meine Handfläche gegen den kühlen Stein der Korridorwand und zog Kraft aus ihrer Festigkeit. Magnus hatte Angst versprochen. Er hatte mich praktisch herausgefordert, unter ihrem Gewicht zu zerbrechen. Aber Angst war ein Luxus, den ich mir nicht leisten konnte, nicht jetzt, nicht jemals.

Der Gedanke an sie war ein Balsam für meine Nerven, auch wenn er eine neue Welle von Wut entfachte. Sie war immer noch irgendwo in diesem monströsen Ort, verletzlich und ungeschützt. Ich konnte sie nicht im Stich lassen. Nicht nach allem, was ich getan hatte, um sie zu beschützen.

Ein fernes Knurren durchbrach die Stille, tief und guttural, wie das warnende Knurren eines Tieres, das seine Beute verfolgt. Ich erstarrte, mein Puls hämmerte in meinen Ohren.

„Beweg dich“, bellte eine raue Stimme hinter mir.

Ich drehte mich um und sah ein Paar Wachen, die mich anstarrten, ihre wolfsähnlichen Augen glühten schwach im flackernden Fackellicht. Sie waren nicht so hochgewachsen wie Magnus, aber sie strahlten dieselbe Raubtierhaftigkeit aus, ihre Haltungen strahlten Dominanz aus.

„Du wurdest gerufen“, sagte einer von ihnen, sein Tonfall knapp und ungeduldig.

Gerufen? Mein Magen zog sich zusammen, aber ich verbarg mein Unbehagen hinter einem kalten Blick. „Von wem?“

Der Wächter verzog das Gesicht zu einem höhnischen Grinsen. „Musst du wirklich fragen?“

Magnus. Natürlich. Der Bestienkönig schien nicht der Typ zu sein, der auf jemanden wartete, geschweige denn auf einen einfachen Menschen. Ich folgte den Wachen schweigend, jeder Schritt zog mich näher zu dem, was auch immer er als nächstes geplant hatte.

Der Weg, den sie mich entlangführten, war anders als zuvor, enger und dunkler, die Luft kälter. Wir stiegen eine Wendeltreppe hinab in die Tiefen der Zitadelle, die Fackeln warfen flackernde Schatten, die vor Boshaftigkeit zu tanzen schienen.

Als wir schließlich anhielten, war es vor einer schweren Eisentür, deren Oberfläche mit Kratzspuren übersät war. Einer der Wächter stieß sie auf, die Angeln ächzten im Protest.

„Rein“, sagte er und stieß mich vorwärts.

Ich stolperte in den Raum, fing mich gerade noch, bevor ich fiel. Die Tür schlug hinter mir zu, das Echo hallte durch den Raum wie der Glockenschlag einer Glocke.

Der Raum war schwach beleuchtet, die einzige Lichtquelle ein einzelner Kohlenbecken in der Mitte. Die Schatten, die er warf, waren lang und gezackt, erstreckten sich über die Steinwände wie die Krallen eines unsichtbaren Ungeheuers.

Und da war er.

Magnus stand auf der anderen Seite des Raumes, den Rücken zu mir gewandt, seine massive Gestalt vom flackernden Feuerschein umrahmt. Seine Hände waren hinter seinem Rücken verschränkt, die Spannung in seinen Schultern verriet das kontrollierte Chaos, das unter der Oberfläche brodelte.

„Du bist spät“, sagte er, ohne sich umzudrehen.

„Ich hatte nicht viel Wahl“, erwiderte ich, meine Stimme schärfer als beabsichtigt.

Dann drehte er sich um, seine Augen trafen meine mit der Wucht eines Donnerschlags. Ich kämpfte gegen den Instinkt an, unter seinem Blick zu schrumpfen, zwang mich, trotz des Zitterns in meinen Beinen aufrecht zu stehen.

„Du bist unverschämt“, sagte er und machte einen Schritt auf mich zu. „Du sprichst, als hinge dein Leben nicht am seidenen Faden.“

„Vielleicht, weil es schon so lange am seidenen Faden hängt, wie ich mich erinnern kann“, gab ich zurück.

Seine Augen verengten sich, und einen Moment lang dachte ich, er würde mich schlagen. Stattdessen lachte er, ein tiefes, humorloses Lachen, das mir einen Schauer über den Rücken jagte.

„Du hältst dich für schlau, kleiner Mensch“, sagte er und umkreiste mich wie ein Wolf seine Beute. „Aber Schlauheit wird dich hier nicht retten.“

Ich drehte mich, um ihn im Auge zu behalten, und weigerte mich, ihm die Oberhand zu lassen. „Warum bin ich hier, Magnus? Wenn du mich töten wolltest, hättest du es längst getan.“

Sein Gesicht verdunkelte sich bei der Erwähnung seines Namens, ein gefährliches Glitzern blitzte in seinen Augen auf.

„Du bist hier“, sagte er langsam, „weil ich beschlossen habe, dich zu testen.“

„Mich testen?“ wiederholte ich, mein Herz sank. „Wofür?“

Er blieb vor mir stehen und seine riesige Gestalt verdeckte das Feuerlicht. „Zum Überleben.“

Bevor ich antworten konnte, trat er zur Seite und enthüllte, was in den Schatten hinter ihm lag. Mir stockte der Atem.

An die Wand gekettet war eine Kreatur, die ich nur als Albtraum beschreiben konnte. Es war ein Wolf, aber größer als jeder, den ich je gesehen hatte, sein Fell war mit Blut und Dreck verfilzt. Seine Augen glühten in einem kränklichen Gelb, erfüllt von einem Wahnsinn, der mir den Magen umdrehte.

„Was ist das?“ fragte ich, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.

Magnus lächelte, aber es war kein warmes Lächeln. „Ein Abtrünniger“, sagte er. „Ein Wesen, das dem Ruf des Mondes verfallen ist. Es ist nicht mehr einer von uns. Nur noch ein Monster.“

Er wandte sich mir zu, sein Ausdruck kalt und unerbittlich. „Töte es.“

Ich starrte ihn an, Unglauben und Entsetzen kämpften in mir. „Du scherzt.“

„Sehe ich aus, als würde ich scherzen?“ fragte er, sein Ton todernst.

Ich schüttelte den Kopf, Panik stieg in meiner Brust auf. „Ich kann dieses Ding nicht töten. Ich habe nicht einmal eine Waffe!“

Magnus warf ein Messer auf den Boden zu meinen Füßen, das Geräusch von Metall auf Stein hallte durch die Kammer.

„Da ist deine Waffe“, sagte er. „Beweise mir, dass du nicht so schwach bist, wie du aussiehst.“

Ich rührte mich nicht. Meine Hände ballten sich zu Fäusten an meinen Seiten, mein Geist raste. Ich konnte dieses Ding nicht bekämpfen. Es war ein Todesurteil.

„Weigere dich“, sagte Magnus, seine Stimme sank zu einem gefährlichen Flüstern, „und ich werde dafür sorgen, dass deine Schwester für deine Feigheit leidet.“

Seine Worte trafen mich wie ein körperlicher Schlag, raubten mir den Atem. Er bluffte nicht. Das konnte ich in seinen Augen sehen, die kalte Gewissheit eines Mannes, der alles tun würde, um die Kontrolle zu behalten.

Für Elira.

Der Gedanke an sie, allein und verängstigt, gab mir die Kraft, mich zu bücken und das Messer aufzuheben. Es fühlte sich fremd in meiner Hand an, das Gewicht war sowohl ein Trost als auch ein Fluch.

Ich drehte mich, um dem Abtrünnigen entgegenzutreten, mein Herz hämmerte in meiner Brust. Es knurrte tief in seiner Kehle, seine wahnsinnigen Augen fixierten meine.

„Gut“, sagte Magnus hinter mir. „Jetzt kämpfe.“

Der Abtrünnige sprang vor, und die Welt wurde zu einem Wirbel aus Bewegung und Geräusch. Ich duckte mich, das Messer zischte durch die Luft, als ich wild zuschlug. Es war nicht Geschick, das mich am Leben hielt, es war Verzweiflung.

Der Abtrünnige war schneller, stärker, aber ich wurde von etwas angetrieben, das er nicht mehr hatte: Zweck. Jedes Mal, wenn ich stolperte, dachte ich an Elira. Jedes Mal, wenn ich schwankte, dachte ich an Magnus‘ Drohung.

Schmerz durchzuckte meine Seite, als die Krallen des Abtrünnigen meine Rippen aufrissen, aber ich hörte nicht auf. Ich konnte nicht aufhören. Mit einem Schrei rammte ich das Messer in seine Brust…

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