Kapitel 4 Hol die Sachen meiner Mutter

Als sie den Flughafen verließen, war der Himmel bereits dunkel geworden.

Lena bugsierte ihre drei Kinder ins Auto und fuhr schnell davon.

"Mama, wohin fahren wir jetzt?" fragte Liam und lehnte sich über die Rückenlehne des Sitzes.

"Wir fahren zuerst zum alten Haus," antwortete sie, ihre Augen auf die vorbeiziehende Landschaft gerichtet. "Ich muss etwas abholen, das deine Großmutter dort zurückgelassen hat."

Ihre Stimme war ruhig, fast beiläufig, aber ihr Griff um das Lenkrad wurde mit jedem Moment fester.

Liam schien noch mehr fragen zu wollen, aber Max hielt sanft sein Handgelenk.

"Vertrau Mama," sagte Jade leise.

Die drei Kinder verstummten und lehnten sich in ihre Sitze zurück.

Das Auto war erfüllt von einem leisen Summen, das einzige Geräusch waren die Reifen auf dem Asphalt.

Zwanzig Minuten später bogen sie in eine ruhige Gasse ein, das große alte Haus am Ende war hell erleuchtet.

Als Lena aus dem Auto stieg, warf sie einen Blick zurück auf ihre drei Kinder, ihr Blick wurde weicher.

"Ihr geht schon mal hoch und ruht euch aus. Ich bin bald zurück."

Die Kinder nickten und sahen ihr nach, wie sie davonging.

Als sie aus dem Haus trat, war der Himmel noch dunkler geworden, die Straßenlaternen warfen ein schwaches Licht.

Das Geräusch ihrer Absätze auf dem Kopfsteinpflaster war scharf und klar, aber sie blickte nicht zurück. Sie fuhr direkt in den alten Stadtteil.

Die Straßen dort waren eng und abgenutzt, das Pflaster uneben und mit Pfützen in den Rissen.

Sonnenlicht erreichte diesen Ort kaum, die gesamte Straße lag in einem ewigen Grau.

Sie trat auf einen losen Ziegel; das Geräusch ihres Schuhs war gedämpft.

Lena stand vor dem Voss-Haus und betrachtete das dreistöckige Gebäude schweigend.

Die grau-weißen Wände blätterten ab, und der Türrahmen war verrostet.

Acht Jahre waren vergangen, und das Haus sah fast genauso aus.

Vielleicht würde niemand bemerken, wenn es sich verändert hätte.

Sie streckte die Hand aus und klopfte zweimal.

"Wer ist da?"

Valentina Voss' vertraute, kratzige Stimme kam von drinnen, gefolgt vom Geräusch von Pantoffeln auf dem Boden.

Die Tür öffnete sich und enthüllte eine Frau in altmodischen Flanellpyjamas, mit einer Maske im Gesicht und hastig hochgesteckten Haaren.

Ihr Ausdruck wechselte von Verärgerung zu Überraschung, dann zu Verachtung.

"Was machst du hier?"

Lena antwortete nicht, sie sah Valentina nur mit einem ruhigen Ausdruck an.

Valentina zog die Maske ab und warf sie in den Müll, höhnisch. "Was, hast du es draußen nicht geschafft und kommst jetzt zurück, um nach Almosen zu fragen?"

Lena verschwendete keine Höflichkeiten. "Ich bin hier, um die Sachen meiner Mutter zu holen."

"Welche Sachen?" Valentina rollte mit den Augen. "Was könnte eine tote Frau hinterlassen haben? Schulden? Willst du die auch?"

"Ich bin hier wegen ihrer Habseligkeiten."

Valentina spuckte auf den Boden und drehte sich um. "Was für ein Pech, dich zu dieser Stunde zu sehen."

Das Innere des Hauses war fast unverändert.

Ein falscher Holztisch, eine Plastikvase mit künstlichen Nelken und ein altes Ledersofa, das mit Kissen bedeckt war, um die Risse zu verbergen.

Ein Familienfoto hing an der Wand, Lenas Gesicht am Rand war geschwärzt und zerkratzt.

"Was glotzt du so?" rief eine scharfe Stimme.

Seraphina kam die Treppe herunter in flauschigen Pantoffeln.

Sie sah Lena und hielt einen Moment inne, dann verwandelte sich ihr Ausdruck in Verachtung.

"Na, Lena. Acht Jahre und du siehst immer noch wie ein Wrack aus."

Seraphina lehnte sich gegen das Geländer, ihre Augen musterten Lena von Kopf bis Fuß, als würde sie ein billiges, altes Stück Ware inspizieren.

Sie verschränkte die Arme und lehnte sich gegen das Sofa, höhnisch. "Du denkst, du kannst einfach kommen und Sachen mitnehmen? Dies ist nicht mehr dein Zuhause."

"Als deine Mutter dich vor all den Jahren hierher schleppte, hatte sie nicht einmal einen ordentlichen Ausweis. Denkst du, du hast das Recht, irgendetwas zu beanspruchen?"

Lenas Blick war fest, sie sah Seraphina an wie ein schlechtes Omen.

Valentina mischte sich ein. „Denk nicht, dass du etwas Besonderes bist, nur weil du draußen etwas Geld verdient hast. Lena, du weißt, wie deine Mutter war. Sie hat einen Haufen Gerümpel hinterlassen, und du glaubst, es wäre ein Schatz?“

„Gerümpel?“ Lena lachte schließlich.

Ihr Lachen war leise, aber im stillen Wohnzimmer klang es wie ein Peitschenknall.

„Ihr habt es nicht weggeworfen. Angst, etwas Wertvolles zu verpassen, Angst, dass ich eines Tages zurückkomme und es hole.“ Langsam ging sie auf den Couchtisch zu, ihre Augen glitten kalt über ihre Gesichter.

„Ihr habt das medizinische Journal nicht verbrannt, das silberne Medaillon mehr als euren Schmuck poliert und das Armband praktisch angebetet. Was, denkt ihr, ich wüsste das nicht? Oder dass ich euch bitten würde, es mir zurückzugeben?“

Plötzlich hielt sie inne und zog eine Karte aus ihrer Tasche.

„Gut, ich mache euch ein Angebot – auf dieser Karte sind fünf Millionen Dollar.“

„Betrachtet es als Bezahlung für eure Freundlichkeit und für alles, was meine Mutter hinterlassen hat – alles, was sie geschrieben, getragen hat, das ihr acht Jahre lang begehrt habt, alles.“

Ihr Ton war leicht, aber jedes Wort war scharf.

Valentinas Gesicht wurde blass. „Was meinst du?“

„Es ist einfach.“ Lena beugte sich vor und legte die schwarze Karte auf den Couchtisch. „Nehmt das Geld und haltet den Mund, verschwindet.“

„Das ist das letzte Mal, dass ich einen Fuß in dieses Haus setze.“

Sie schaute auf und ihr Blick landete auf Seraphinas gerötetem Gesicht.

Seraphinas Augen waren voller Wut und Scham, wie eine Katze, deren Schwanz getreten wurde. Sie öffnete den Mund, konnte aber kein Wort herausbringen.

Lena lächelte leicht, ihre Stimme klang wie ein Flüstern des Teufels.

„Vor acht Jahren hast du Fälschungen getragen und behauptet, sie wären Designerstücke, dein Make-up waren alles Proben, und die Uhren, die du in den sozialen Medien gepostet hast, waren so schlecht gespiegelt.“

„Jetzt siehst du zwar passend aus, aber –“ sie warf einen Blick auf die luxuriöse Freizeitkleidung, „egal wie teuer deine Kleidung ist, sie kann deine Billigkeit nicht verbergen.“

„Seraphina,“ sagte Lena langsam, „du bist nicht einmal ein Stück Papier wert, das meine Mutter hinterlassen hat.“

Damit drehte sie sich um und ging auf die Treppe zu, ihre Schritte fest, als ob sie auf ihren Gesichtern treten würde.

Das Wohnzimmer fiel in eine tödliche Stille.

Valentinas Hand zitterte, als sie nach der Karte griff, ihre Augen voller Groll und Gier.

Seraphina biss sich auf die Lippe und starrte auf Lenas Rücken, ihre Augen praktisch tropften vor Gift.

Aber niemand wagte es, zu sprechen.

Oben war das Zimmer alt, die Holztür knarrte beim Öffnen, Staub erfüllte die Luft.

Lena zögerte nicht, ging direkt zum alten Schreibtisch an der Wand, bückte sich, um ein vertrautes altes Notizbuch aus der hinteren Ecke der untersten Schublade zu holen.

Das handgeschriebene medizinische Journal, dessen Ränder vergilbt waren, war sorgfältig in Ölpapier eingewickelt, immer noch warm von der jüngsten Handhabung.

Ihre Augen hielten inne, die Finger strichen über das Cover, dann bewegte sie sich zum versteckten Fach am Boden des Schranks und zog eine kleine Holzkiste heraus.

Das silberne Medaillon war da, schwer in ihrer Hand.

In der Kiste war auch ein Armband, das Mitgift ihrer Mutter, jetzt ihres.

Lena wischte es sanft sauber und legte dann alles in ihre Tasche.

Sie hatte, wofür sie gekommen war – leichter als sie erwartet hatte.

Lena ging die Treppe hinunter, ihr Gesicht ausdruckslos, ihr schwarzer Mantel fegte durch das Wohnzimmer wie ein Windstoß.

Valentina saß steif auf dem Sofa, ihr gut gepflegtes Gesicht zuckte; James Voss stand am Fenster, eine Zigarette in der Hand, die Asche lang und ungebrochen.

Niemand sprach.

Das Geräusch von Blättern, die unter den Autoreifen knirschten, war schwach.

Erst als das Motorengeräusch vollständig verklungen war, drehte sich James um und drückte seine Zigarette im Kristallaschenbecher aus.

„Du lässt sie einfach gehen?“

„Was ist die Eile?“ James drehte sich um, klopfte leicht auf Valentinas Schulter, sein Lächeln spiegelte sich im Fenster, unheimlich und verzerrt. „Lass sie ein paar Tage glücklich sein. Sie ist genauso dumm wie ihre Mutter.“

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