Kapitel 5 Cute Baby Strikes

Lena war noch nicht in das alte Haus zurückgekehrt.

Die Nacht war tief, und die Lichter im Hof schwankten sanft im Wind und warfen ein schwaches Licht.

Drei Kinder saßen um den Couchtisch in der Mitte des Wohnzimmers.

Vor ihnen lagen ein Notizbuch und eine handgezeichnete Karte, die sie gerade in Lenas Arbeitszimmer gefunden hatten, zusammen mit einem elektronischen Ortungsgerät.

Max hielt ein Tablet in der Hand, sein Gesichtsausdruck war ruhig, seine Finger flogen über den Bildschirm.

„Mama hat gesagt, wir sollen warten, bis sie zurückkommt, damit wir zusammen gehen können“, runzelte Jade die Stirn. „Warum hackst du jetzt Zoes Echtzeit-Koordinaten?“

Max' Ton war gelassen: „Mama ist in das alte Viertel gegangen. Es wird mindestens eine Stunde dauern, bis sie zurückkommt.“

„Eine Stunde ist zu lang“, sagte Liam leise, Sorge blitzte in ihren Augen auf. „Was, wenn Zoe etwas passiert?“

Er klappte das kleine Messer auf, das er in seinem Ärmel versteckt hatte, drehte es zweimal und schnappte es wieder zu.

Die drei schwiegen für ein paar Sekunden, bevor Max als Erster sprach: „Auch wenn ich nicht damit einverstanden bin, unüberlegt zu handeln, denke ich, dass es machbar ist, wenn es nur darum geht, Zoes Sicherheit zu überprüfen.“

„Einverstanden“, Jades Augen leuchteten entschlossen. „Ich kann mich als Lieferant ausgeben.“

„Ich verkleide mich als Bettler“, stimmte Liam sofort zu, „und bringe eine Nadel mit.“

„Ich überwache aus dem Hintergrund“, sagte Max und blickte auf. „Ihr habt nicht mehr als fünfzehn Minuten.“

Die Gegend um das verlassene Lagerhaus im Ostbezirk war unheimlich still.

Als sie aus dem Auto stiegen, richtete Max schnell ein Kurzfrequenz-Kommunikationsnetzwerk ein, das die drei über Ohrstöpsel verband.

„Überwachungsausrüstung ist aktiviert, Signal tritt in die abgeschirmte Zone ein. Ich bleibe an einem hohen Punkt für die Fernunterstützung.“

„Verstanden“, Jade setzte eine abgenutzte Baseballkappe auf, trug eine Lieferbox und schlüpfte durch die Seitentür.

Die Lichter im Lagerhaus waren gedämpft.

Jade bewegte sich entlang der Wand, sein Blick glitt über ein Regal nach dem anderen, bis er eine vertraute Gestalt in der abgeschlossenen Ecke im Südwesten sah.

Es war Zoe.

Sie saß auf dem Boden, regungslos, hielt ein Plüschhasenspielzeug, still und unbeweglich wie eine kleine Statue.

Niemand war um sie herum.

Aber es war zu ungewöhnlich.

„Zoe ist ganz im Süden, niemand bewacht sie“, schlich sich Jade auf Zehenspitzen, seine kleine Hand umklammerte den Rand eines rostigen Metallschranks, ignorierte den Staub auf seiner Nase.

„Zu seltsam, sieht nicht nach Anzeichen einer Evakuierung aus“, antwortete Max sofort. „Könnte ein Köder sein.“

„Eine Falle!“ Jade steckte ihre Schleuder zurück in die Tasche, ihre Stimme war leise und dringend. „Aber Zoe ist drinnen...“

„Ich gehe“, Liam bewegte sich in Overalls wie ein flinker Eichhörnchen. „Ich bin schnell, werde nicht erwischt.“

„Liam, warte—“

Aber er war schon losgesaust.

Liam bewegte sich schnell, wie ein kleines Tier, schlängelte sich durch die Eisenregale und schlüpfte in den abgeschlossenen Bereich.

In einer Ecke, die mit Mehlsäcken vollgestapelt war, fand er Zoe, die seit drei Tagen vermisst wurde.

Zoe saß dort, umarmte ihre Knie, ihre Lieblings-Erdbeer-Haarspange schief in ihrem unordentlichen Haar, hielt eine schmutzige Stoffpuppe fest.

„Zoe“, rief Liam leise.

Zoe hob den Kopf, ihre Augen leer, als hätte sie nichts gehört.

„Ich bin es, ich bin Liam.“

Zoe hob langsam den Kopf, ihre großen Augen leer. Ihr geliebter rosa Rucksack war offen, mit mehreren zerbrochenen Regenbogen-Buntstiften darin.

„Komm schon, lass uns nach Hause gehen“, sagte Liam und griff nach ihr, um sie mitzuziehen.

Doch in diesem Moment—

Ein leises Geräusch kam von hinten.

Liam drehte sich scharf um, ein Schauer lief ihm über den Rücken.

Instinktiv drückte er Zoe an seine Brust.

Mehrere Gestalten in Schwarz traten aus den Schatten und umzingelten sie lautlos.

„Bewegt euch nicht.“

Der Anführer trug eine Maske, sein Gesicht war verdeckt.

Eine Hand in einem schwarzen Lederhandschuh griff nach vorne und packte präzise Liams Handgelenk.

Der Griff war nicht stark, fühlte sich aber wie eiserne Fesseln an, aus denen man sich nicht befreien konnte.

Das Leder des Handschuhs hatte ein mattes Finish im schwachen Licht, die Metallschnalle an den Knöcheln glitzerte kalt.

Liam hielt Zoe fest umklammert, sein Blick war fest auf die nächste Person gerichtet.

„Wer seid ihr?“ fragte er, seine Stimme klang etwas heiser.

Liams Augen weiteten sich plötzlich.

Er schaute die Person an—seine Haltung, die leichte Neigung des Kopfes, genau wie Max, wenn er sie schalt.

Sein Blick wanderte langsam nach unten und blieb am linken Ringfinger des Mannes hängen.

Dort war ein schwarz-goldener Ring, auf dessen Oberfläche ein winziges Schlangentotem eingraviert war.

Dieses Totem hatte er schon einmal gesehen.

Auf Max' tragbarer Festplatte, er hatte ihnen gesagt, dass es eines der Dinge war, die ihr Vater hinterlassen hatte.

Als der Mann sich zur Seite drehte, drückte sein Arm kurz zurück, der Ärmel rutschte und enthüllte ein schlankes, kaltes weißes Handgelenk—dünn, blass, mit ausgeprägten Knochen, sehr ähnlich wie bei Max.

Zu ähnlich.

Ein instinktives Gefühl stieg in seiner Brust auf. Liam biss sich auf die Lippe, hielt eine schützende Haltung ein und stellte sich vor Zoe, während er zu dem maskierten Mann mit den schwarzen Handschuhen aufsah.

„Haben Sie... eine Familie?“

Der Mann zögerte, antwortete nicht.

„Ich... ich bin mir nicht sicher“, schien Liam zu sich selbst zu sprechen oder zu sondieren. „Wir vier Geschwister wurden von unserer Mutter großgezogen. Sie sagte, dass etwas passierte, als wir klein waren, und dass unser Vater uns verließ. Wir wissen nicht, wer er ist, nicht einmal ein einziges Foto.“

Er schaute auf und starrte den Mann mit der Maske an, seine Stimme war sehr leise, „Aber meine Mutter sagte, er sei ein schlechter Mensch gewesen.“

Das Lagerhaus war in diesem Moment unheimlich still.

Die Hand des Mannes zog sich plötzlich zusammen, seine Fingerspitzen krümmten sich unbewusst.

Er konnte Liams Gesichtsausdruck nicht sehen, spürte nur eine seltsame Emotion in seinem Ton.

Kein Groll, keine Anklage.

Eine Art... vorsichtige Erwartung.

„Ihr Ring...“ Liam hielt inne, dann sprach er langsam weiter, „Er sieht sehr ähnlich aus wie der meines Bruders. Er klopft auch gerne mit dem Zeigefinger auf die Knöchel, denkt leise nach, wenn es still ist, und runzelt nur auf einer Seite die Stirn. Sie scheinen genauso zu sein.“

„Sie haben die falsche Person.“

Die Stimme des Mannes war frei von jeglichen Emotionen, wie ein Eimer Eiswasser in der kalten Nacht, der gnadenlos die Wärme in seinen Augen auslöschte.

„Ich kenne Sie nicht, und ich habe Ihren Bruder nie getroffen.“

Er blickte nach unten, schaute von oben auf sie herab, sein Blick war selbst durch die Maske kalt.

„Und leider habe ich keine Kinder, noch war ich jemals mit einer Frau involviert. Sind Sie... ausgebildeter Köder?“

„Oder hat Ihnen jemand beigebracht, diese Dinge zu sagen, speziell um meine Verteidigung zu durchbrechen?“

Jedes Wort schnitt wie ein Messer durch Knochen.

Liam schien an Ort und Stelle festgenagelt zu sein, sein Gesicht wurde blass, seine Lippen bewegten sich, aber es kamen keine Worte heraus.

Der Mann schien jegliche Geduld verloren zu haben, wandte sich an die anderen schwarz gekleideten Gestalten und sprach mit leiser Stimme, „Bringt sie zur erneuten Untersuchung zurück. Wenn sie es wagen, Widerworte zu geben, erledigt sie sofort.“

Vorheriges Kapitel
Nächstes Kapitel