Kapitel 6: Das Angebot
In dem Moment, als Aeliana den Steg des fremden Schiffes betrat, fühlte sich die Luft um sie herum unbeschreiblich kalt an. Ein scharfes Zischen hallte von den Hydrauliken wider, als sich die Tür des Schiffes hinter ihr schloss und ihr den letzten Blick auf Willow Glen verwehrte. Nun war sie allein, gefangen im Bauch des Ungeheuers, und das Gewicht ihrer Entscheidung lastete mit jedem zitternden Schritt schwer auf ihr.
Ihr Atem kam in flachen Stößen, ihr Herz schlug so laut, dass sie sicher war, die Aliens könnten es hören. Ihre Hände zitterten unkontrolliert, während sie den schmalen Korridor entlang eskortiert wurde, flankiert von zwei riesigen Gestalten, die in glatte, obsidianschwarze Rüstungen gehüllt waren. Sie sagten nichts, und ihre Bewegungen waren geschmeidig, fast mechanisch, als sie sie tiefer in das Schiff führten. Jeder Zentimeter des Schiffs fühlte sich fremd an – kalte Metallwände, durchzogen von pulsierenden blauen Lichtadern, das Summen außerirdischer Maschinen, das unter ihren Füßen vibrierte.
Aeliana hatte sich noch nie so klein, so machtlos gefühlt. Sie kannte Angst, aber das hier war etwas anderes. Das war die Art von Angst, die einen von innen aushöhlte und nichts als eine Hülle hinterließ. Sie wusste nicht, was sie am Ende dieses langen, metallischen Ganges erwartete, aber das Gewicht dessen hing in der Luft wie ein Todesurteil.
Ihre Gedanken rasten. Warum hatten sie sie mitgenommen? Was würden sie mit ihr machen? Würde sie die nächste Stunde überhaupt überleben?
Der Korridor öffnete sich zu einer weiten Kammer, deren Wände hoch aufragten und in eine kuppelförmige Decke mündeten, die mit seltsamen Lichtern pulsierte. Der Raum war riesig und doch leer, abgesehen von einem Thron, der am anderen Ende auf einer Plattform thronte. Und auf diesem Thron saß König Tharx.
Aeliana erstarrte, ihr Atem stockte, als ihr Blick sich auf ihn fixierte. Schon aus der Ferne war seine Präsenz überwältigend. Er war nichts wie die Soldaten, die sie eskortiert hatten. Nein, er war etwas viel Größeres.
König Tharx war groß – unmenschlich groß – und breit, sein Körper war von einer kunstvollen Rüstung bedeckt, die im sanften blauen Licht glänzte. Sein Gesicht, teilweise von Schatten verhüllt, war scharf und kantig, mit Zügen, die sowohl fremdartig als auch unheimlich majestätisch waren. Seine Haut hatte einen tiefen Grauton, durchzogen von silbernen Markierungen, die wie Narben oder vielleicht Symbole seines Ranges wirkten. Seine Augen, die schwach unter seiner schweren Stirn leuchteten, waren auf sie gerichtet und strahlten eine Intensität aus, die ihr Blut gefrieren ließ.
Das war der König. Derjenige hinter der Invasion. Derjenige, der seine Truppen anführte, um Städte zu zerstören und Menschen wie sie zu fangen. Und nun stand sie vor ihm, nichts weiter als ein Verhandlungsobjekt, ein Opfer, das ihre Familie in der Hoffnung auf Überleben dargebracht hatte.
Die Soldaten, die sie hereingebracht hatten, hielten kurz vor der Plattform an, ihre Köpfe in Ehrfurcht geneigt, während sie Aeliana präsentierten. Sie stand dort, zitternd, ihre Beine kaum in der Lage, sie zu tragen. Sie wusste nicht, was sie tun, was sie sagen sollte – sie konnte sich nicht einmal bewegen.
Einen langen Moment lang herrschte nur Stille. Die kalte, bedrückende Art von Stille, die einem die Nackenhaare aufstellen ließ. Und dann, endlich, sprach Tharx.
„Ist dies das Opfer?“
Seine Stimme war tief, resonant, mit einer kalten Gleichgültigkeit, die ihr einen Schauer über den Rücken jagte. Er sah sie nicht direkt an, als er sprach, als wäre sie unter seiner Würde. Stattdessen wanderte sein Blick kurz zu den Soldaten, die auf beiden Seiten von ihr standen.
„Ja, mein Herr“, antwortete einer von ihnen in einer Sprache, die sie nicht verstand, deren Bedeutung jedoch aus dem Tonfall klar hervorging.
Tharx' Blick wanderte dann, langsam, träge, zu ihr. Als seine Augen ihre trafen, fühlte Aeliana, als wäre die Luft aus dem Raum gesogen worden. Seine Augen – fremdartig, außerirdisch – schienen durch sie hindurchzusehen, als könnten sie jeden Gedanken, jede Angst, jedes Geheimnis, das sie je gehütet hatte, erkennen. Sie wollte wegsehen, unter diesem Blick zusammenschrumpfen, aber etwas hielt sie dort, erstarrt an Ort und Stelle.
Einen Moment lang bewegte sich keiner von ihnen. Dann erhob sich Tharx mit einer langsamen, bedächtigen Bewegung von seinem Thron. Seine Gestalt wirkte noch imposanter, als er die Stufen hinabstieg, jeder seiner Schritte erschreckend anmutig für ein Wesen seiner Größe. Der Raum schien um ihn herum zu schrumpfen, und Aeliana trat instinktiv zurück, obwohl sie keinen Platz hatte, wohin sie gehen konnte.
Als er schließlich vor ihr stand, war Tharx so nah, dass sie die kalte Aura spüren konnte, die von ihm auszugehen schien. Er sah auf sie herab, sein Gesichtsausdruck undurchschaubar, seine Augen musterten sie, als wäre sie eine Art Kuriosität, ein Exemplar, das untersucht werden musste.
Aelianas Herz hämmerte in ihrer Brust. Sie war sich sicher, dass das, was als Nächstes kam, ihr Ende bedeuten würde. Die Geschichten, die sie über das Schicksal von Menschen in den Händen der Aliens gehört hatte, blitzten vor ihrem inneren Auge auf – Folter, Versklavung oder Schlimmeres. Sie bereitete sich auf das Schlimmste vor, auf den unvorstellbaren Schmerz, der kommen würde.
Doch er kam nicht.
Stattdessen sprach Tharx erneut, seine Stimme ein tiefes Grollen, das den Raum zwischen ihnen ausfüllte. „Wie heißt du?“
Die Frage überraschte sie. Einen Moment lang war sie sich nicht sicher, ob sie ihn richtig verstanden hatte. Fragte er tatsächlich nach ihrem Namen?
„Ich... ich heiße Aeliana“, stammelte sie, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
Tharx musterte sie noch einen Augenblick länger, bevor er erneut sprach. „Du gehörst jetzt mir.“
Die Worte trafen sie wie ein Schlag. Gehören. Als wäre sie ein Gegenstand, ein Besitz. Ihr Hals schnürte sich zu, und sie kämpfte gegen die Tränen an, die drohten, überzulaufen. Sie hatte Brutalität erwartet, Schmerz, aber dies – diese kalte Besitzergreifung – war irgendwie schlimmer.
Aeliana antwortete nicht, unsicher, was sie sagen sollte, unsicher, ob sie überhaupt sprechen durfte. Die Soldaten waren zurückgetreten und ließen sie allein vor diesem Alien-König stehen, ihr Schicksal hing in der Schwebe.
Tharx’ Blick verweilte noch einen Moment länger auf ihr, bevor er sich schließlich abwandte, seine Bewegungen fließend, als er zu seinem Thron zurückging. „Du wirst beschützt werden“, sagte er, als er sich setzte, seine Augen nicht mehr auf ihr. „Dir wird kein Leid geschehen, solange du in meinem Besitz bist.“
Beschützt. Das Wort hallte in ihrem Kopf wider, ein seltsamer Kontrast zu der kalten Autorität in seiner Stimme. Er würde sie nicht töten oder verletzen – zumindest noch nicht. Aber warum? Was wollte er von ihr? Und warum bot er ihr Schutz an, obwohl er keinen Grund dazu hatte?
„Warum?“ flüsterte sie, die Frage entglitt ihr, bevor sie sie zurückhalten konnte. „Warum lässt du mich am Leben?“
Tharx’ Augen richteten sich auf sie, und für einen Moment glaubte sie, etwas zu sehen – etwas jenseits der kalten Gleichgültigkeit in seinem Blick. Doch es war so schnell wieder verschwunden, wie es aufgetaucht war.
„Weil ich es so will“, sagte er einfach, als ob das alles erklären würde.
Aelianas Gedanken rasten, aber es blieb keine Zeit für weitere Fragen. Die Soldaten traten wieder vor, packten sie an den Armen und führten sie vom Thron weg. Tharx’ Blick folgte ihr, aber er sagte nichts mehr.
Als sie sie tiefer in das Schiff führten, wirbelten Verwirrung und Angst in ihrem Kopf. Sie war als Opfergabe dargebracht worden, und jetzt war sie nichts weiter als ein Besitz – ein Ding, das behalten wurde. Aber was bedeutete das? Was wollte Tharx von ihr?
Und vor allem, wie lange würde dieser Schutz dauern, bevor er seine Meinung änderte?
Sie brachten sie zu einer kleinen Kammer – kaum mehr als eine Zelle, mit kalten Metallwänden und einer schmalen Pritsche. Es war nicht luxuriös, aber auch nicht das Gefängnis, das sie befürchtet hatte. Die Tür schloss sich hinter ihr, und zum ersten Mal, seit sie das Schiff betreten hatte, war sie allein.
Aeliana brach auf die Pritsche zusammen, ihr Körper zitterte, als das volle Gewicht dessen, was geschehen war, auf sie einwirkte. Sie hatte überlebt. Aber zu welchem Preis?
Sie war nicht länger Aeliana Fayden, das Mädchen aus Willow Glen.
Sie gehörte ihm.
























































































































































































