Kapitel 2 Vertrag

Vossshire war das kommerzielle Herz der Stadt.

Bürogebäude und das CBD wuchsen endlos in die Höhe, drängten sich das ganze Jahr über im Stadtzentrum und demonstrierten den geschäftigen Wohlstand der Stadt.

In der Nähe des Blackwood Heritage Group-Gebäudes war die Gegend unheimlich still, nur gelegentlich fuhr ein Auto vorbei.

Niemand stellte die Trostlosigkeit des Gebäudes oder das Fehlen von Fußgängerverkehr in Frage. Es brauchte nicht das geschäftige Treiben, um es zu schmücken.

Das kalte Glas und der Stahl glänzten wie ein stilles, selbstbewusstes Biest, das in Vossshire lag, seine hoch aufragende Struktur durchbrach den Himmel und kämpfte nur mit den Elementen.

Elara blickte vom Fuß des Gebäudes nach oben und fühlte sich so unbedeutend wie ein Staubkorn.

Als sie durch die Drehtür eintrat, goss der massive Kronleuchter im Atrium ein kaltes, luxuriöses Licht herab.

Der Marmorboden unter ihren Füßen glänzte wie ein Eissee, und der schwache Duft in der Luft schien in diesem Moment einzufrieren, eine Atmosphäre von straffer, bedrückender Ordnung und Majestät zu schaffen.

Ein Mann in einem scharfen schwarzen Anzug, dessen Ausdruck so hart wie Stein war, ging direkt auf sie zu und sagte unverblümt:

"Jasper Hale, Mr. Blackwoods Assistent. Miss Voss, folgen Sie mir bitte."

Jaspers Stimme passte perfekt zu diesem Raum, ohne jegliche Wärme. Seit Elaras Ankunft hatte er sie nicht einmal direkt angesehen.

Die Fahrt mit dem Aufzug in die oberste Etage verlief ununterbrochen, niemand stieg ein.

In den Spiegelwänden erschien Elaras Gesicht leicht blass, aber ihr Ausdruck blieb ruhig.

Sie trug ein ordentliches Hemd und Jeans, ihr Haar war streng zurückgebunden.

Jasper bemerkte Elaras Gelassenheit und warf ihr einen leicht überraschten Blick zu, sagte aber nichts.

Die oberste Etage war erreicht.

Die Aufzugtüren glitten auf, und ein noch dichterer, unsichtbarer Druck traf sie.

Der Ausblick von der obersten Etage war weitläufig, aber die Beleuchtung war gedämpft. Die gesamte Einrichtung, einschließlich des Teppichs, war in kühlen Tönen gehalten.

Elara, die jahrelang Kunst studiert hatte, verstand, dass solche Farbschemata in großen Unternehmen Rationalität und Größe betonten, zusammen mit einem Gefühl von Autorität.

Aber Kierans oberste Etage ging darüber hinaus – sie war nicht nur rational, sondern kalt, eher wie ein Gefängnis.

Elara blieb vor einer schweren, massiven schwarz-goldenen Doppeltür stehen, die leicht geöffnet war, mit einer tieferen Lichtquelle, die von innen strahlte.

Jasper stand wie ein Soldat neben der Tür, emotionslos, und gestikulierte, dass Elara eintreten sollte.

Elara holte tief Luft, die kalte Luft stach in ihre Lungen und machte sie wachsamer, als sie eintrat.

Kierans Büro fühlte sich an wie die einsame Wildnis eines Tieres, wie ein lebloses Grab.

Jahre später würde Elara ihren ersten Eindruck vom Büro des CEO so beschreiben.

Außerhalb der großen bodentiefen Fenster erstreckte sich die Stadtlandschaft bis zum Horizont. Ein breiter schwarzer Ledersessel war von der Tür abgewandt, wie der Thron eines lauernden Biests.

Elara blieb in einiger Entfernung stehen, ihr Blick war fest auf den Stuhl gerichtet, ihre blassen Lippen fest zusammengepresst.

Nach einer langen Pause drehte sich der Stuhl langsam um.

Kieran lehnte sich zurück, seine Haltung war entspannt, aber er strahlte eine tiefe Faulheit und Kontrolle aus. Sein dunkler, maßgeschneiderter Anzug betonte seine breiten Schultern und schmale Taille.

Er sah aus wie eine kalte Skulptur, mit scharfen Kieferlinien und dünnen Lippen, die zu einer geraden, grausamen Linie gepresst waren.

Am faszinierendsten waren seine Augen, tief wie bodenlose Eisgruben, ohne jegliche menschliche Wärme, gefüllt nur mit Prüfung, Bewertung und einem fast gleichgültigen Interesse.

Kierans Blick fiel auf Elaras Gesicht, er musterte sie ungeniert, als ob er ein Kunstwerk bei einer Auktion oder ein Exemplar, das an die Wand gepinnt werden sollte, betrachtete.

Elara blieb unbeeindruckt, sie erwiderte seinen Blick mit Furchtlosigkeit und Ruhe, mit einem Hauch von Wut, der in ihren schönen Augen verborgen lag.

Kieran bemerkte dies und seine Lippen zuckten leicht, nicht zu einem Lächeln, sondern zu einer spöttischen Geste absoluter Überlegenheit.

Keiner sprach, die Atmosphäre war erstickend in ihrer Stille.

"Herr Blackwood, hallo."

Elara kämpfte darum, ihre innere Ruhe zu bewahren, und durchbrach als Erste die Pattsituation. Sie war hier, um um Hilfe zu bitten; Stolz würde Thorne nicht retten.

"Miss Voss, Sie sind gelassener, als ich erwartet habe."

Kieran runzelte die Stirn, seine Stimmung schien unzufrieden. Seine Stimme, mit einer einzigartigen rauen Qualität, war klar und kühl.

Er stand langsam auf, wie ein Berg, der sich erhebt, und ging um den Schreibtisch herum, holte eine dicke Akte aus dem Bücherregal und warf sie auf den Schreibtisch.

"Schauen Sie."

Die zwei Worte ließen keinen Raum für Ablehnung.

Elara trat vor, ihre Finger kalt vor Anspannung, und hatte zunächst Mühe, die Seiten umzublättern.

Die erste Seite: Thornes ausgezehrtes, verängstigtes Gesicht, festgehalten auf einem Polizeifoto.

Die zweite Seite: Ein vergrößertes Foto der Szene – das legendäre, unbezahlbare Gemälde „Schneereise“, zerrissen und bis zur Unkenntlichkeit beschädigt.

Eine Nahaufnahme zeigte Thornes häufig verwendetes patentiertes Mineralrestaurationspulver, das schwach die beschädigten Ränder des Gemäldes färbte.

Die dritte Seite: Handschriftenanalyse, Überwachungszeitstempel, die bewiesen, dass Thorne der Letzte war, der das Lagerhaus verließ und die Tür abschloss, vage Zeugenaussagen...

Jedes Beweisstück war akribisch, kalt und verzweifelt miteinander verwoben.

Elara blätterte schnell durch und erreichte die letzte Seite.

„Geschätzter Verlust: ungefähr 857 Millionen Dollar (ohne Berücksichtigung des Markenrufs und anderer immaterieller Verluste).“

Die kalten Zahlen prägten sich in Elaras Augen ein, sie lächelte schwach, schloss die Akte und sagte ruhig.

„Wir können nicht zahlen, noch sind wir dazu verpflichtet. Das ist eine falsche Anschuldigung, eindeutig eine Falle...“

„Beweise.“

Kieran unterbrach Elara, seine Stimme immer noch emotionslos, seine kalten Augen scharf wie Messer. „Miss Voss, hier zählen nur Beweise und Ergebnisse.“

Kieran trat näher an Elara heran, beugte sich leicht vor, sodass sein Blick auf gleicher Höhe mit ihrem war, und übte einen überwältigenden Druck aus, um sie zur Unterwerfung zu zwingen.

„Diese Beweise reichen aus, um Thorne lebenslang ins Gefängnis zu bringen. Was die Entschädigung angeht...“

Kieran machte eine bewusste Pause und betonte jedes Wort.

„Bankrott oder alles verkaufen, du könntest es in deinem Leben nicht abbezahlen!“

Seit dem Moment, als Elara das Büro betrat, hatten Kierans jedes Wort und jede Handlung sie unter Druck gesetzt.

Es ging nicht um Kierans tiefes Taktieren oder das Zurschaustellen seiner Macht; es war Instinkt, das Selbstvertrauen, alles unter Kontrolle zu haben.

Kieran hatte viele ähnliche Szenen gesehen, unzählige Frauen, die in diesem Büro unkontrolliert weinten, auf die Knie fielen und bettelten, den Verstand verloren, sich sogar freiwillig entblößten...

Diesmal hatte Kieran sich verrechnet.

„Ich denke, Mr. Blackwood, Sie haben mich nicht nur hierher gerufen, um mir das zu sagen.“

Elaras Augen waren ruhig.

Kieran starrte Elara kalt an, suchte nach Schwächen in ihr, dann kehrte er zu seinem Sitz zurück.

Ein verstecktes Fach glitt lautlos an der Seite des Schreibtisches auf. Ein schwarzer Stift wurde herausgenommen.

Gleichzeitig nahm Kieran einen dünnen, scharfen Stahlbrieföffner auf.

Er legte den Stift auf die Unterschriftszeile des Dokuments.

Dann drückte er die scharfe Klinge gegen Elaras blasse Hand.

Die durchdringende Kälte schien in Elaras Adern zu fließen.

„Unterschreib.“

Kierans Stimme klang, als käme sie aus dem tiefsten Eise der Hölle, klar, langsam, jedes Wort betonend, „Ich werde Thorne innerhalb eines Tages freilassen. Du arbeitest für die Blackwood Heritage Group als ständige Restaurationsberaterin – deine Fähigkeiten, Zeit, Körper, Loyalität, alles.“

Kierans eisiger Blick glitt über Elaras Augenbrauen und Lippen, mit einer unverhohlenen Besitzgier. „Alles gehört mir. Von nun an hast du nur noch eine Identität: meine exklusive Kunstrestauratorin, zu meiner Verfügung, ohne Ausreden.“

War das Kierans Bedingung?

Elara senkte die Augen, ihre langen Wimpern warfen schwere Schatten, ihr Geist ratterte mit unzähligen Gedanken.

Thornes verzweifeltes Gesicht. Die astronomische Entschädigung, kalte Fesseln und Schande.

Die Zeit verging, und das Büro des CEOs versank in Stille.

Schließlich hob Elara die Hand, vermied die kalte Klinge und nahm den Stift auf.

Der Stift war schwer und kalt, wie ein Messer, das ihre Vergangenheit durchtrennte.

Ihre Fingerspitzen wurden von dem Druck blass, zitterten leicht.

Elara starrte auf die leere Unterschriftszeile, als würde sie in einen schmalen Abgrund blicken.

Schließlich berührte die kalte Metallspitze das Papier – Elara.

Sie schrieb langsam, jeder Strich schwer, als wäre er in Knochen gemeißelt, mit dem Gewicht der Demütigung.

Der letzte Strich fiel, und Elara schien all ihre Kraft aufgebraucht zu haben.

Elara klopfte leicht mit der Faust auf den Schreibtisch, ein dumpfes Geräusch wie der Abschluss eines großen Auktionsdeals.

„Vertrag unterschrieben! Erledigt! Lass meinen Vater frei!“

Elara blickte scharf auf, ihre Wut nicht länger verborgen, lodernd in ihren Augen.

In Kierans tiefen Pupillen blitzte ein scharfer Glanz auf, wie ein Raubtier, das endlich seine Beute gefangen hatte.

Seine gefrorenen Lippen verzogen sich zu einem klaren, kalten, emotionslosen Lächeln.

„Dein Befehl?“

Kierans Stimme war tief, mit einem Hauch von Amüsement, als er sich näher lehnte. „Es scheint, du hast dich noch nicht an deine neue Rolle gewöhnt.“

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